Liebe auf den letzten Blick
sie, »können … wir … nicht … umziehen.«
Gustl lässt das Messer sinken, reißt ein Stück von der Küchenkrepprolle ab und nimmt sie in den Arm. »Jetzt essen wir erst mal zu Abend, dazu trinken wir ein Schlückchen, und dann fällt uns bestimmt eine Lösung ein«, tröstet er sie, während er ihr die Tränen abtupft.
Sie putzt sich geräuschvoll die Nase und blickt ihn verliebt an. »Ach, Gustilein, du hast immer die besten Ideen.«
Dazu kann ich nur den Kopf schütteln.
10
Auf der Radeltour zu
Bacchus
, der Weinhandlung meines Vertrauens, trete ich kräftig in die Pedale. Als echten Sport kann man den Miniausflug zwar nicht bezeichnen, aber ich verbrenne garantiert mehr Kalorien als Amelie bei ihrer Bärchendiät. Außerdem hilft die klare Mailuft gegen meine Kopfschmerzen. Den Brummschädel verdanke ich unserer sich auflösenden Wohngemeinschaft, die mich seit Tagen nicht zur Ruhe kommen lässt.
Amelie lässt einfach nicht von der Idee des Ausziehens ab, trotz leerem Bankkonto. Gustl dagegen äußert sich kaum, verschanzt sich hinter seine Kochtöpfen und Pfannen und überlässt alle Antworten Amelie. Zum Haare raufen!
Als ich den Weinladen betrete, begrüßt mich der Inhaber persönlich. »Einen wunderschönen guten Tag, Verehrteste.«
Namentlich kennt er mich zwar noch nicht, aber nachdem ich hier regelmäßig jeden Donnerstag eine Flasche Portwein erwerbe, gelte ich wohl als liebe Stammkundin.
Ich grüße freundlich zurück und schlendere an den Regalen vorbei, als sei ich heute unschlüssig. In Wahrheit hoffe ich, Fred zu treffen. Ich kann einfach nicht aufhören, an ihn zu denken. Verrückt. Er ist doch viel zu jung für mich. Zweitens hat er vielleicht was mit Sophie. Und drittens? Möchte ich es eigentlich nicht so genau wissen.
Dennoch schaffe ich es nicht, mich gegen dieses Gefühl zu wehren. Seit Fred in unserer Küche saß, wandern meine Gedanken ständig zu ihm. Hier, wo wir uns zum ersten Mal begegnet sind, ist das Verlangen, ihn wiedersehen zu wollen, besondersstark. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich leicht geschminkt bin, mein Haar frisch gewaschen ist und ich ein weißes Sommerkleid mit schwarzem Blumenmuster trage, dazu schwarze Pumps und die gestern erstandene rote Strickjacke. Irgendwo habe ich nämlich gelesen, dass man Männer am besten mit Signalfarben wie Rot auf sich aufmerksam macht. Insgesamt bin ich also ziemlich aufgebrezelt für eine Frau, die ihre rosarote Brille längst abgelegt haben wollte.
»Darf ich Ihnen behilflich sein?«
Der Weinhändler reißt mich mit seiner Frage aus meinen Gedanken. »Ähm … Ja … Gern«, antworte ich und überlege, wie ich Zeit schinden könnte.
Er sieht mich fragend an. »Wieder einen Vala da Clara Tinto?«
Ich werfe einen verstohlenen Blick auf meine Armbanduhr. Siebzehn Minuten nach vier, exakt der Zeitpunkt, an dem vor drei Wochen Fred und meine Hand … Hör auf, zu träumen, du närrisches altes Weib, ermahne ich mich. »Vielleicht probiere ich mal einen anderen Port.«
»Sehr gern. Ich hätte da einen Quinta Do Castelinho. Heute eingetroffen.« Der Händler geht zu einem noch verschlossenen Karton. Mit wenigen Handgriffen öffnet er ihn, entnimmt eine Flasche und erklärt: »Es ist ein Late Bottled Vintage Port, ein Verschnitt aus Trauben eines Jahrgangs. Hat sechs Jahre im Fass gelagert, bevor er in Flaschen abgefüllt wurde.«
»Aha.« Ich wiege unschlüssig den Kopf.
Beflissen empfiehlt er mir weitere Sorten, gibt mir Informationen zum Traubenanbau, zu den Weingütern und der Lagerung.
Ich höre aufmerksam zu, stelle Fragen und ziehe das Ganze in die Länge. Nach einer halben Stunde wird es langsam peinlich, und ich erstehe eine Flasche Castelinho.
»Herzlichen Dank für das kostenlose Weinseminar«, sage ich beim Bezahlen.
»Es war mir ein Vergnügen, schöne Frau«, entgegnet er galant. »Jederzeit wieder.«
Natürlich ist diese liebenswürdige Höflichkeit nichts weiter als Kundenpflege, doch in meinem Alter sind Komplimente so selten wie Verehrer, und meine Laune steigt, als hätte ich drei Gläschen Port und zehn Pralinés zu mir genommen.
Vergnügt radele ich auf meinen Drahtesel nach Hause, lasse mir das Haar vom lauen Frühlingswind zersausen und summe vor mich hin.
Am Rotkreuzplatz beschließe ich, mir irgendwo einen Cappuccino zu genehmigen. Es ist nicht zu heiß, rentnerwarm könnte man auch sagen, die Sonne strahlt zwischen harmlosen weißen Wattewölkchen vom blauen Himmel, und die flirrende
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