Liebe auf den letzten Blick
Doch erst die Rückkehr von Fred und Luis stoppt Amelies Wutausbruch. Sie fixiert ihn von Kopf bis Fuß, und ihre Augen beginnen begehrlich zu glitzern. »Ja, wen haben wir denn da?«
»Fred Keller, ich bin ein Kollege von Sophie.« Er reicht ihr die Hand.
Sie ergreift sie mit verzücktem Lächeln. »Amelie Specht, ich wohne hier. Sehr erfreut, Fred«, haucht sie verführerisch. »Ich finde, Lehrer ist einer der wichtigsten Berufe. Wenn nicht sogar der wichtigste überhaupt. Ich sage immer: Unwissenheit ist eine Plage.«
Ich bin platt. Was sind das denn für durchsichtige Komplimente?
Fred entzieht ihr die Hand. »Das haben Sie sehr nett gesagt.«
»Und ich sage immer: Man wird alt wie ’ne Kuh und lernt immer noch was dazu«, mischt Irma sich feixend ein.
Gustl gesellt sich wieder zu uns, jetzt in Schlabberjeans und grauem Polohemd, und begibt sich direkt zum Kühlschrank. Nach einem Kontrollblick fragt er in die Runde: »Wer bleibt zum Abendessen?«
Ich atme auf. Mit diesem Thema lassen sich die zwei Furien hoffentlich ablenken. Vorerst zumindest.
»Ja, bitte, bleibt doch«, fordere ich unsere Gäste auf. »Es ist sicher genug für alle da, oder Gustl?«
Er grummelt irgendwas, das sich wie »Sonst würde ich niemanden einladen« anhört.
»Vielen Dank, aber wir müssen leider ablehnen«, antwortet Sophie.
Misstrauisch nehme ich das vertrauliche WIR zur Kenntnis. Da ist also doch mehr zwischen Fred und ihr.
»Ich muss bedauerlicherweise ebenfalls los«, erklärt Fred dann jedoch und sucht meinen Blick. »Ein andermal sehr gern.«
»Unbedingt«, prescht Amelie vor, ehe ich eine Einladung aussprechen kann. »Vielleicht reicht die Zeit noch für ein winziges Schlückchen?« Sie neigt den Kopf und fasst sich dabei in ihre glänzenden Locken.
Fred und Sophie bedauern nochmals und verabschieden sich. Ich bringe sie zur Tür. »Kommt bald wieder vorbei«, sage ich zu Sophie und Luis und zu Fred: »Hat mich gefreut.«
Fred drückt meine zitternde Hand. Bei seiner Berührung stelle ich mir unweigerlich vor, wie es wäre, in seinen Armen zu liegen.
»Sag mal, Mathilde …«
Seine warme Stimme holt mich aus dem verwegenen Tagtraum zurück.
»Ich überlege die ganze Zeit. Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?«
Er hat unsere Begegnung doch nicht vergessen! Ein süßer Schauer läuft mir über den Rücken, oder ist es eine Hitzewallung? »Magst du Portwein?«, entgegne ich.
Er mustert mich kurz, dann lächelt er, als sähe er die Begegnung vor sich. »Die Weinhandlung! Darauf trinken wir beim nächsten Mal. Bis dann!«
Stumm blicke ich ihnen nach, wie sie die Stufen hinauflaufen, Fred mit Luis an der Hand und Sophie mit dem Baby auf dem Arm. Auf halber Treppe dreht sich Fred noch einmal um. »Ich bringe eine Flasche von unserem Lieblingsportwein mit.«
Von unserem Portwein!
Ich nicke selig und schmelze dahin.
9
Auf Wolke sieben schwebe ich zurück in die Küche zu meinen Freunden. Noch vor einer Minute hätte ich die untreuen Tomaten am liebsten alle rausgeworfen. Doch das interessiert mich im Moment gar nicht mehr. Ich sehe nur Fred vor mir.
»Wie finden wir das denn, Mathilde?«, flötet Amelie mir entgegen. »Diese Sophie scheint nicht die kleine brave Kunstlehrerin zu sein, als die sie sich ausgibt.«
»Fred und sie unterrichten an derselben Schule. Sie sind also Kollegen«, widerspreche ich Amelies Anspielung eine Spur zu laut.
Abfällig zuckt Amelie mit den Schultern. »Das vielleicht auch. Aber ich fresse einen Besen, wenn die zwei nichts miteinander haben. Allein, wie er mit dem kleinen Luis umgeht – als wäre es sein eigenes Kind. Und Sophie hat uns doch erzählt, dass sie und Torsten Probleme haben. Das Problem könnte Fred heißen! So, und jetzt mache ich uns ein Fläschchen auf.«
»Klingt logisch«, bestätigt Irma.
Amelies Vermutungen und Irmas Zustimmung lassen meine romantischen Träume platzen wie einen Luftballon. Wie konnte ich mir nur einbilden, ein jüngerer Mann könnte sich für mich interessieren? Ich muss völlig durchgeknallt sein. Dabei hatte ich mir nach dem Erlebnis mit dem Kommissar doch fest vorgenommen, solch hoffnungslosen Schwärmereien zu entsagen. Hoffentlich hat niemand etwas gemerkt. Ein Grund zum Feiern ist das jedenfalls nicht.
»Für mich keinen Alkohol«, lehne ich ab.
Irma möchte auch nicht, sie muss nach Hause. »Otto wird sicher schon auf mich warten.«
Gustl schmollt. »Ach, das ist aber schade. Dann sind wir ja zum Essen nur zu dritt.«
»Tut
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