Liebe auf den letzten Blick
Frühlingsluft ist voller Verheißungen. Einfach der perfekte Tag, um unter einem Sonnenschirm zu faulenzen und die lästigen Sorgen für eine Weile zu vergessen.
Ich drehe einige Runden durch die kleineren Straßen, bis ich das Café Ruffini entdecke, wo es besonders leckeres Eis geben soll.
Als ich mein Fahrrad anschließen will, höre ich eine helle Stimme »Matinde« rufen.
Luis, in Jeans und blauem Hemd, saust auf einem knallgrünen Roller den Bürgersteig entlang. Und wenige Meter hinter ihm – ich kann mein Glück kaum fassen –, Fred. Schwarz gekleidet, mit Sonnenbrille auf der Nase, zum Niederknien attraktiv. Und wie er in großen Schritten versucht, den Kleinen einzuholen, wirkt er auch noch unglaublich dynamisch.
»Erster!«, lacht Luis, als er vor mir anhält.
»Na, du Rennfahrer«, begrüße ich ihn. »Wo willst du denn hin?«
Mit leuchtenden Augen schaut der Kleine hoch zu mir. »Bio-Eis essen!«
»Gute Idee«, antworte ich und fühle eine Hitzewallung in mir aufsteigen, als Fred bei uns ankommt.
Mist. Ausgerechnet jetzt. Hoffentlich entwickelt sich die Wallung nicht zum Schweißausbruch, der mein Make-up auflöst. Oder lässt Freds Nähe mein Herz derart rasen?
»Hallo Mathilde. Was für ein schöner Zufall.« Er nimmt seine Brille ab und lächelt mich an.
Unsere Blicke treffen sich. Ich bin froh, dass er mir nicht die Hand reicht, denn meine Hände sind plötzlich vor Aufregung ganz feucht, und ich halte mich krampfhaft am Fahrradschloss fest.
»Hm« ist alles, was ich von mir gebe, weil mir mal wieder die Worte fehlen.
Fred guckt auf mein Fahrradschloss. »Kommst du gerade oder gehst du schon?«
»Ähm … Ich wollte … einen Cappuccino trinken.«
Luis kann anscheinend nicht länger auf sein Eis warten, steigt auf den Roller und düst zum Eingang des Cafés.
»Den Roller lassen wir draußen«, ruft Fred und flüstert mir leise zu: »Sonst fährt er wieder allen Gästen an die Beine.«
Luis reagiert nicht. Stattdessen versucht er, die schwere Eingangstür aufzuziehen. Was mit zwei Händen vielleicht möglich wäre. Doch er muss ja mit einer Hand den Roller festhalten.
Mit drei großen Schritten ist Fred bei ihm und versucht, ihn davon zu überzeugen, den Roller abzustellen. Doch Luis schüttelt hartnäckig den Kopf, und als Fred ihm den Roller mit sanfter Gewalt entwenden will, brüllt er: »Stiehlt! Stiehlt! Stiehlt!«
»Er befürchtet, dass sein heißgeliebter Roller geklaut wird«, erklärt Fred mir.
»Ich habe auch immer Angst, dass jemand mein Fahrrad mitnimmt, Luis«, sage ich und schlage vor, seinen Roller an mein Rad zu ketten.
Luis überlegt einen Moment, blickt mit kritischer Miene auf die schwere, kunststoffumhüllte Kette und nickt dann zustimmend. Mit Freds Unterstützung wird aus Rad und Roller ein unförmiges Packet, das sich nur mit einem LKW entwenden ließe.
Zufrieden betrachtet Luis das Werk, ruckelt noch einmal prüfend am Roller, der sich nicht mehr bewegt.
»Gut so?«, fragt Fred.
»Jaaa!«
»Dafür bekommt Mathilde aber ein großes Eis zu ihrem Cappuccino, oder?«, fragt Fred augenzwinkernd.
»Bio-Eis!«, verbessert Luis.
»Logo, Bio-Eis«, versichert Fred und an mich gewandt: »Wenn du magst?«
»Danke, gern«, nehme ich die Einladung an. Amelie würde garantiert behaupten, dass es Vorsehung sei. Wer oder was auch immer dafür verantwortlich ist – ich könnte jubeln. Im Moment habe ich zwar keine Ahnung, worüber wir uns unterhalten sollen. Aber Luis ist ja dabei und wird uns ablenken. Vielleicht finde ich heraus, wie eng Freds Beziehung zu Sophie ist.
Ein Schmunzeln umspielt seinen Mund, als er mir die Papiertüte vom Weinhändler abnimmt. »Ich benötige auch dringend Nachschub.« Dann hält er mir die Tür auf. Luis drängelt sich vorbei, saust quer durchs Lokal zu einer schmalen Treppe.
»Wo will er hin?«, frage ich.
»Da geht’s zur Dachterrasse«, antwortet Fred und legt seine Hand auf meinen Rücken, als wolle er mich ganz sanft in die Richtung schieben.
Ein Schauer erfasst mich. »Das ist heute mein erster Besuch im Ruffini.«
»Ich treffe mich hier manchmal mit Freunden«, erklärt Fred auf dem Weg nach oben. »Ich wohne nämlich ein Stück weiter oben in der Orffstraße. Und wenn Luis mich besucht, drehen wir immer eine Runde mit dem Roller, und je nach Witterung bekommt er ein Eis oder eine heiße Schokolade.«
Der letzte Satz versetzt mir einen schmerzhaften Stich. Luis besucht ihn also regelmäßig. Er scheint doch mehr als
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