Liebe auf den letzten Blick
friedlich. Es ist doch Partymond.« Zärtlich krault sie ihn hinterm Ohr. »So! Jetzt fahren wir auf den Friedhof, erzählen Susanne von Danas Umzug nach München und anschließend besorgen wir das Fleisch für den Grill. Dann kommt auch deine gute Laune zurück.«
Gustl verschränkt abweisend die Arme vor der Brust. »Susanne weiß schon alles. Ich war gestern mit Dana am Grab.«
»Na gut«, entgegnet sie geknickt und sieht aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
Ich rutsche zu ihr rüber und streiche ihr beruhigend über den Rücken. »Wird schon schiefgehen«, sage ich. Sie tut mir wirklich leid.
»Ich … ich … hab’s nur gut gemeint«, schluchzt sie nun tatsächlich los. »Der Mond stand im Steinbock … Und das sind genau die richtigen für Vertragsabschlüsse … Die Karten waren sooo positiv.«
»Bitte … nicht … weinen«, stammle ich mit einem dicken Kloß im Hals.
Traurige Menschen kann ich nur schwer ertragen. Als Kind mochte ich keine traurigen Märchen. Geradezu unerträglich fand ich das Märchen vom Sterntaler. Ich wollte dem armen frierenden Mädchen mit den Schwefelhölzern unbedingtwarme Sachen schenken. Als meine Mutter in ihrer Not behauptete, die Kleine wäre schon lange im Himmel, habe ich tagelang geweint. Ich sehe mir auch keine traurigen Filme an, da ich vor lauter Heulen die Handlung ohnehin kaum mitbekäme und es mir auch nicht hilft, wenn ich mir sage, dass es nur fiktive Geschichten und schluchzende Schauspieler sind. Und weinende Freunde verkrafte ich überhaupt nicht. Das schnürt mir regelrecht die Kehle zu, und ich ruhe nicht eher, bis ich die Tränen getrocknet und geholfen habe. Ist vermutlich eine Art Krankenschwester-Syndrom, das mich jetzt auf eine Idee bringt.
»Stehen auf dieser Visitenkarte auch Beruf, Adresse und Telefonnummer?«, frage ich Amelie.
Sie greift nach einer Papierserviette, putzt sich lautstark die Nase und blickt mich mit rotgeweinten Augen hoffnungsvoll an. »Ich hab nicht darauf geachtet. Warum?«
»Weil wir ihn dann googlen können. Im Netz gibt es über jeden Menschen Infos. Ich hole mein Laptop, und wir recherchieren ein bisschen«, schlage ich vor und meine zu Gustl gewandt: »Wir finden sicher was über ihn heraus.«
Amelie atmet erleichtert auf. »Danke, Mathilde. Das ist eine super Idee. Was meinst du, Gustl?«
»Macht, was ihr wollt«, knurrt er, während er mit sauertöpfischer Miene ein Tablett mit Geschirr belädt.
Bedauerlicherweise verläuft die Aktion wenig erfolgreich. Die Suchmaschine findet keinen Hausinger, jedenfalls keinen Keramikhändler in der Kazmairzstraße, wie auf der Visitenkarte angegeben.
»Das muss nichts bedeuten«, murmle ich und versuche, meine alarmierende Hitzewallung wegzuatmen.
»Hmm.« Amelie wird blass um die Nase und muss heftig schlucken, hat sich aber gleich wieder unter Kontrolle. »Aufder Karte steht doch eine Handynummer. Ich rufe ihn einfach an und frage, ob ich wegen der Quittung vorbeischauen kann.«
»Gute Idee.« Ich reiche ihr mein Mobiltelefon.
Während Amelie die Nummer wählt, klicke ich mich durch verschiedene Hausinger-Links. Nach einigen Sekunden hält sie mir wortlos das Telefon hin.
»Die gewählte Rufnummer ist zurzeit nicht vergeben«, höre ich eine Frauenstimme sagen.
Schockiert drücke ich die Auflegetaste. Eine falsche Adresse
und
eine nichtexistente Handynummer? Nicht gerade das, was man sich unter Seriosität vorstellt, denke ich und merke, wie der Kloß in meinem Hals wächst.
»Und jetzt?«, fragt Amelie mit tränengefüllten Augen.
Ich schlucke den Kloß runter und sage mit fester Stimme: »Zieh dir was Hübsches an. Wir fragen Gustl, ob er mitfährt.«
»Aber die Schlüsselübergabe findet doch erst morgen statt«, wendet sie zaghaft ein.
»Egal«, antworte ich. »Wir klingeln einfach bei den Nachbarn, vielleicht erfahren wir von einem der Hausbewohner Einzelheiten über diesen Herrn Hausinger. Falls nicht, ist es allemal besser, als untätig hier rumzuhocken und sich Horrorszenarien auszudenken.«
Als wir Gustl in der Küche aufsuchen, sortiert er gerade Geschirr in die Spülmaschine ein.
»Fahrt ohne mich«, sagt er missmutig und klappert mit den Tellern. »Ich backe lieber eine Pfirsichtarte, das beruhigt.«
Amelie seufzt enttäuscht und geht in ihr Zimmer, um sich umzuziehen.
Zwanzig Minuten später ist sie fertig. Sie hat sich in das schwarze Dirndl geworfen und es mit einer hellblauen Schürze, einem rosa Schultertuch und reichlich
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