Liebe auf den letzten Blick
Silberschmuck aufgepeppt. Ich hab mein schwarzweißes Kleid anbehalten, aber dieFlipflops gegen die Prada-Pumps aus dem Secondhandladen getauscht. Mal abgesehen davon, dass die Dinger einfach toll aussehen, ist es das einzige Paar Schuhe, in denen ich meine Hühneraugen nicht spüre.
Mit gemischten Gefühlen besteigen wir ein Taxi, das ich spendiere. Eigentlich hätte ich ja nur Vorteile, wenn Amelies Umzugspläne scheiterten, aber sobald es um Geld geht, rebelliert meine Buchhalterseele. Die duldet keine Ungereimtheiten.
Auf der Fahrt zur Wohnung beginnt es zu regnen. Schweigend sitzen wir im Fond und blicken neugierig aus den Fenstern wie reiche Touristinnen, die sich wegen des Wetters einen eigenen Chauffeur für die Stadtrundfahrt engagiert haben.
Am Ziel angekommen, entlohne ich den Fahrer, und Amelie gibt noch ein übertrieben großzügiges Trinkgeld.
»Das bringt Glück«, erklärt sie auf meinen fragenden Blick und hakt mich unter.
Mit gesenkten Köpfen eilen wir durch den Regen dem vierstöckigen Altbauanwesen entgegen. Es ist ein hübsches hellgrün verputztes Haus mit weißen Sprossenfenstern und einer dunkelgrün lackierten Haustür. Wie nicht anders zu erwarten, ist sie geschlossen. Hektisch studieren wir die Namen auf den blankpolierten Klingelschildern.
»Hier!« Euphorisch zeige ich auf die oberste Klingel. »Hausmeister.«
Amelie läutet Sturm und hat tatsächlich Erfolg.
»Vierter Stock«, krächzt eine Stimme aus der Sprechanlage und fast gleichzeitig summt der Türöffner.
Mangels Aufzug müssen wir die vier Etagen zu Fuß erklimmen. Als wir keuchend oben anlangen, erwartet uns eine dunkelhaarige Frau Ende dreißig.
»Endlich«, sagt sie. »Ich warte schon seit Stunden.«
Amelie und ich blicken uns irritiert an.
»Na, auf den Wohnungsschlüssel«, erklärt sie freundlich und hält die Hand auf.
Stumm starre ich sie an.
»Ähm …«, schnauft Amelie und erklärt stockend den Grund unseres Erscheinens.
Erstaunt hört die Hausmeisterin ihrem Bericht zu. »Das ist ja ein dicker Hund!«, schimpft sie und bittet uns, einzutreten. »Ich ruf gleich den Hausbesitzer an.«
Sie führt uns durch den Flur ins Wohnzimmer.
»Bitte schön.« Die Hausmeisterin zeigt auf die Couch. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Sehr freundlich«, bedanke ich mich. »Aber wir haben vor einer Stunde gefrühstückt.«
»Einen Schnaps?«
Die Einladung nimmt Amelie mit einem strahlenden »Gern!« an. Worauf die Hausmeisterin aus einem Vitrinenschrank zwei Schnapsgläser plus einer Flasche Wodka holt und einschenkt. Dann sinkt sie in den gegenüberstehenden Sessel, zieht ein Handy aus der Brusttasche ihres Hemdes und drückt auf zwei Tasten.
»Hallo Ludwig, ich bin’s, Elena«, meldet sie sich.
Wortgetreu berichtet sie, was Amelie ihr vor wenigen Minuten erzählt hat. Es folgt längeres Zuhören, nur von »Aha« und »Hmm« untermalt, was die Spannung ins Unerträgliche steigert. Amelie füllt ihr Glas ein zweites Mal, während ich meines entgegen meiner Absicht leere.
Elena beendet das Gespräch mit krauser Stirn. »Also, die schlechte Nachricht zuerst«, beginnt sie schließlich. »Der Hausbesitzer hat keinen Neffen.«
Amelie presst die Hand auf den Mund. Ich schnappe nach Luft und starre die Hausmeisterin gebannt an.
»Aber die Wohnung ist vergeben, seine Nichte zieht ein«, redet Elena weiter. »Wie sah denn dieser Hausinger aus?« Offensichtlich möchte sie der verzweifelt aussehenden Amelie helfen.
»Mitte, Ende vierzig, mit längeren dunkelblonden Haaren«, erklärt diese. »Er hatte eine braune Lederhose an, einen ollen blauen Pullover, der unangenehm nach Rauch gemuffelt hat … Ach ja, er hat nicht Bairisch gesprochen. Eher Hochdeutsch.«
»Stahlblaue Augen?«, fragt Elena.
»Ja!« Amelie mustert Elena verwundert.
»Breite Schultern, durchtrainierte Figur und bis auf die Schmuddelklamotten sah er verdammt gut aus?«, fragt Elena weiter.
»Sie kennen ihn?« Amelie atmet erleichtert auf, als bekomme sie jetzt gleich ihr Geld zurück.
Elena nickt. »Der Vormieter ist das aber nicht. Und er heißt auch nicht Hausinger.«
Schon ringt Amelie wieder nach Luft. »Wie heißt er dann, und wer ist er?«
»Der Beschreibung nach könnte er einer der Umzugshelfer sein. Wie er heißt, kann ich Ihnen aber leider nicht sagen. Ich erinnere mich nur an diese unglaublich blauen Augen.« Elena lächelt vor sich hin. »Mein Mann hat nämlich auch solche.«
»Ein Umzugshelfer?«, wiederhole ich ungläubig. »Das
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