Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
überlegen müssen, tadelte eine kleine Stimme in ihrem Kopf. Sie hatte ihr Schicksal gerade mit einem Eid besiegelt, und auch Adrian schmetterte eben sein Jawort, demnach waren sie nun ein Ehepaar. Sie war jetzt Lady Clarissa Montfort, die Gattin des Earl of Mowbray. Damit erübrigte sich die Frage, ob er seinen Knüppel in ihrem Dingsbums versenken würde. Nach allem, was sie inzwischen wusste, schien es ihr nur logisch, dass er in der Hochzeitsnacht an ihr herumbohren wollte.
»Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«
Sie hatte kaum die Bedeutung der Worte erfasst, da riss Adrian sie schon in seine Arme und küsste Clarissa. Sie blieb steif wie ein Stock, gleichsam paralysiert vor Bestürzung und Verwirrung. Vor nicht mal acht Stunden war sie aufgeregt und überglücklich gewesen bei der Vorstellung, ihn zu heiraten. Jetzt sah sie im Geiste dauernd, wie sich so ein Mordsgerät in ein Gebäckstückchen schraubte.
Adrian, der ihre Zurückhaltung spürte, löste sich von ihrem Mund und musterte Clarissa, seine Miene besorgt. Um ihn zu beruhigen, zauberte die junge Braut ein Lächeln auf ihre Lippen. Mit einem Mal kam Bewegung in die Hochzeitsgesellschaft. Alle wollten dem frisch vermählten Paar gratulieren, und eine kurze Weile später saß sie in einer Hochzeitskutsche und fuhr nach Hause. Besser gesagt zum Haus ihres Vaters , korrigierte sie sich. Es war ja nicht länger ihr Zuhause. Von jetzt an war ihr Zuhause bei Adrian.
***
»Gehen wir heim?«
Clarissa blickte erschrocken von dem Glas auf, an dem sie sich krampfhaft festhielt. Sie hätte wetten mögen, dass sich in ihren Augen eiskaltes Entsetzen malte. Das war der Moment, vor dem ihr graute, seit das Fest bei ihrem Vater begonnen hatte.
Sie biss sich nervös auf die Unterlippe und ließ den Blick durch den proppenvollen Saal schweifen. Es war schon eigenartig, bis vor Kurzem war sie in London von fast allen belächelt und geschnitten worden, trotzdem war ihr Hochzeitsball eine ganz große Nummer. Neben Lady Mowbray, Adrians Cousin Reginald und Cousine Mary, ihrem Vater und ihrer Stiefmutter waren Lord und Lady Havard, Lord und Lady Achard, Lord Prudhomme und seine Mutter gekommen, sowie etliche Gäste, die sie nur vom Namen her kannte und die sie auf der Straße niemals erkannt hätte, weil sie sie noch nie von Nahem gesehen hatte.
Herrje, Adrian wartete auf ihre Antwort. Clarissa schluckte, versuchte ein fröhliches Lächeln … und scheiterte kläglich. Mit gequälter Piepsstimme fragte sie: »Jetzt schon?«
Sie glaubte zu erkennen, wie sich Adrians Stirn umwölkte, dennoch sagte er in ruhigem gefassten Ton: »Es ist schon spät, Clarissa. Fast Mitternacht.«
Sie wusste, das war nicht spät für einen Ball, aber dies war ja auch kein gewöhnlicher Ball. Nein, es war ihr Hochzeitsfest. Trotzdem hakte sie verzweifelt nach: »Ja, aber alle sind noch da. Sollten wir nicht bleiben, bis die letzten Gäste gehen? Immerhin ist es unsere Hochzeitsparty.«
»Clarissa«, erklärte Adrian geduldig. »Es ist Tradition, dass Braut und Bräutigam das Fest als Erste verlassen. Alle warten darauf, dass wir gehen.«
»Oh, verstehe.« Jesses, ich muss mir schleunigst was ausdenken, womit ich den Aufbruch noch etwas hinauszögern kann, überlegte sie fieberhaft. Dummerweise fiel ihr keine plausible Hinhaltetaktik ein. Widerstrebend stellte sie ihr Glas beiseite. »Ich hol eben mein Gepäck.«
»Die Diener haben das bereits für dich erledigt, als wir in der Kirche waren«, meinte er sanft.
»Uff … öhm … und Joan?«
»Joan ist auch schon dort«, versicherte Adrian. »Komm, wir verabschieden uns von den Gästen.«
Clarissa seufzte schwer. Sie ließ sich von ihm zu ihrem Vater und Lydia geleiten, dann zu Lady Mowbray. Das ging ihr alles viel zu schnell, rasend schnell. Kurz darauf wurde sie in die Kutsche gepackt. Sie saß angespannt in einer Ecke, während sie angstvoll grübelte, was gleich auf sie zukommen würde.
Adrian saß ihr schweigend gegenüber, seine Augen unablässig auf sie fixiert. Sie konnte es nachgerade körperlich spüren. Bestimmt fand er ihr Verhalten sonderbar, sinnierte sie. Was kann ich bloß sagen, damit sich die blöde Anspannung legt?, zermarterte sie sich das Hirn. Es war zermürbend. Zumal in ihrem Kopf ständig das Bild aufblitzte, wie sich der Knüppel in die Pastete bohrte und der rote Saft herausspritzte.
Adrians Dienerschaft – die mittlerweile auch die ihre war, wie sie im
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