Liebe auf den zweiten Klick
wäre.
»Das ist doch gar nicht so kompliziert«, meinte Doris.
Nichts hatte sich verändert. Nichts.
»Hör mal«, wechselte Doris das Thema. »Ich muss mit dir reden. Deine Mutter hat mich heute angerufen.«
»Was?«
»Sie wollte mir doch das Rezept für dieses Möhren-Hühnchen-Dings geben, das sie immer macht, das mit Sellerie. Und Reis. Na ja, am Ende hat sie mir dann schlieÃlich verraten, dass sie sich Sorgen um dich macht. Sie meinte, du würdest nicht mehr jede Nacht nach Hause kommen. Also, du hattest mir gegenüber gar nicht erwähnt, dass du deiner Mutter nichts von deinem Umzug erzählen würdest.«
»Aber ich bin ja gar nicht umgezogen. Ich hab noch nichts in die neue Wohnung gebracht.«
»Das ist doch total verrückt. Geht es um dieses Mädchen?«
»Was für ein Mädchen?«
»Deine Mutter hat mir erzählt, was sie dir angetan hat, diese Schauspielerin.«
»Meinst du Sam? Die hat mir gar nichts angetan«, widersprach Lincoln.
»Hat sie dich etwa nicht wegen eines Puerto-Ricaners sitzen lassen?«
»Nein«, beteuerte Lincoln. »Ich meine, nicht so ganz.«
»Und jetzt ruft sie bei euch zu Hause an.«
»Sam hat bei uns angerufen?«
»Ich kann durchaus verstehen, warum deine Mutter die Nachrichten nicht an dich weitergibt«, sagte Doris. »Schau doch, was du ihr alles vorenthältst. Triffst du dich mit diesem Mädchen in meiner Wohnung?«
»Nein.«
»Das würde jedenfalls erklären, warum du in letzter Zeit in Gedanken immer ganz woanders bist. Und jeden anderen Rock ignorierst.«
»Nein.« Lincoln presste die Hände gegen seine Schläfen und versuchte, nicht wie ein kleines Kind zu klingen. »Hast du meiner Mutter von der Wohnung erzählt?«
»Ich bin zu alt, um die Mütter anderer Leute anzulügen.«
Als Lincoln an diesem Abend nach Hause kam, war es schon zu spät, um noch mit seiner Mutter zu reden.
Als er am nächsten Morgen nach unten kam, war sie in der Küche und schnitt Kartoffeln in Scheiben. Auf dem Herd stand ein dampfender Kessel. Lincoln lehnte sich neben sie an den Küchentresen.
»Oh«, sagte sie, »ich wusste gar nicht, dass du da bist.«
»Ich bin hier.«
»Hast du Hunger? Ich kann dir Frühstück machen. Aber du willst ja wahrscheinlich los, zum Fitnessstudio.«
»Nein«, antwortete er, »ich hab keinen Hunger. Und ich muss auch nicht los. Ich hatte gehofft, wir könnten uns unterhalten.«
»Ich mache gerade Kartoffelsuppe«, fuhr sie fort. »Aber ich brauche nicht den ganzen Speck. Soll ich dir Eier mit Speck machen?« Sie war bereits dabei, die Eier am Rand einer Eisenpfanne aufzuschlagen, goss Milch hinein und rührte. »Wir haben auch englische Muffins. Die teuren.«
»Ich hab wirklich keinen Hunger«, wiederholte er. Sie sah ihn nicht an. Lincoln legte ihr die Hand auf den Arm, und sie kratzte mit der Gabel in der Pfanne herum. »Mom« , sagte er.
»Das ist so seltsam â¦Â«, murmelte sie. Ihr Tonfall verriet nicht, ob sie traurig oder wütend war. »Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als du mich für alles brauchtest.
Du warst so ein kleines Ding und hast geweint, wenn ich dich auch nur eine Sekunde hingelegt hatte. Ich weià nicht, wie ich es überhaupt geschafft habe, zu duschen oder zu kochen. Hab ich wahrscheinlich einfach nicht getan. Ich hatte auch Angst, dass ich mit dir zu nah an den Herd komme.«
Lincoln starrte auf die Eier. Er hasste es, wenn sie so redete. Das war, als würde er sie unbeabsichtigt in ihrem Nachthemd zu sehen bekommen.
»Was glaubst du, warum erinnere ich mich daran«, fragte sie, »wenn du das nicht mehr weiÃt? Warum tut uns die Natur das an? Was bringt das der Evolution? Das waren die wichtigsten Jahre meines Lebens, und du erinnerst dich nicht einmal mehr daran. Du kannst nicht verstehen, warum es für mich so schwer ist, dich an jemand anderen weiterzugeben. Du willst, dass ich ganz cool tue.«
»Du gibst mich doch nicht weiter. Da ist niemand anderes.«
»Dieses Mädchen. Dieses schreckliche Mädchen.«
»Es gibt kein Mädchen. Ich treffe mich nicht mit Sam.«
»Lincoln, sie ruft hier an. Es bringt doch nichts, jetzt zu lügen.«
»Ich habe nicht mit ihr gesprochen. Ich war ja gar nicht hier, um ihre Anrufe entgegenzunehmen. Hör mal, es tut mir
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