Liebe auf den zweiten Klick
mit Sam. Und Sam war der einzige Vergleichswert, über den er verfügte. Wie wäre es wohl, mit einem Mädchen, einer Frau zusammen zu sein, die ihm fast bis ans Kinn reichte? Was hatte Doris noch mal gesagt: »eher was in deiner GröÃe«? Er hatte es immer toll gefunden, wie klein Sam war. Kleiner Spatz. Sein Püppchen. Wie er sie umfassen konnte, verschwinden lassen konnte. Das Gefühl, sich zurückhalten zu müssen, um sie nicht zu zerbrechen.
Wie wäre es wohl, eine andere Frau im Arm zu halten? Eine Frau, deren Hüften und Schultern beinahe auf einer Höhe mit den seinen waren, die nicht unter ihm verschwinden würde. Und deren Küsse nicht immer so weit weg waren.
Am Ende hatte er zu lange oder zu hart trainiert oder war vielleicht zu verkatert. Unter der Dusche wurde ihm schwindelig, und er war ein wenig wackelig auf den Beinen, deshalb kaufte er sich schlieÃlich an der Rezeption einen von diesen schrecklichen Proteinriegeln. Das Mädchen, das dort arbeitete, überredete ihn, auch noch ein Getränk mit Elektrolyten zu nehmen, das angeblich nach Wassermelone schmecken sollte. Tat es nicht. Es schmeckte nach Brausepulver mit Maissirup und Salz.
Es war Lincoln peinlich, dass er sich einen Moment lang vom Silvesterrausch hatte mitreiÃen lassen. Dass er geglaubt hatte, es wären kosmische Kräfte am Werk, die ihm wohlgesinnt waren. Seine Chance hatte er gestern Abend in der Redaktion gehabt. Und er hatte sie verspielt.
Kapitel 61
Von: Beth Fremont
An: Jennifer Scribner-Snyder
Gesendet : Di., 04. 01. 2000, 13:26 Uhr
Betreff: Bilde ich mir das nur ein, oder ist die Welt in letzter Zeit viel weniger nett als früher?
Das Glück ist nicht auf meiner Seite. Ich hab Meinen süÃen Typen jetzt schon seit fünf Tagen nicht mehr gesehen. Gestern hab ich Doris auf dem Flur entdeckt, und mein Herz hat einen Satz gemacht. Ich will nicht schon aufgeregt sein, nur weil ich Doris begegnet bin.
Von Jennifer an Beth: Meine Welt hingegen ist voller Nettigkeit. Mitch und ich haben gestern eine Wiege gekauft. Eigentlich war das gar nicht so geplant â wir wollten uns nämlich Spülmaschinen anschauen â, aber dann kamen wir an den Wiegen vorbei, und da stand sie. Cremefarben, mit einem geschnitzten Schaukelpferd am Kopfteil. Und jetzt können wir uns keine Spülmaschine mehr leisten.
Von Beth an Jennifer: Eine Wiege? Jetzt schon? Eigentlich wollte ich dir doch beim Aussuchen der Wiege helfen. Darf ich dann wenigstens die Bettwäsche aussuchen? Du kannst diese vielen Babygeschichten doch nicht einfach ohne mich machen! Ich versuche hier, eine Ersatzschwangerschaft zu durchleben.
Von Jennifer an Beth: Tut mir leid. Das war nicht so geplant. Wahrscheinlich suche ich dieses Wochenende die Farbe für das Kinderzimmer aus, willst du da mitkommen?
Von Beth an Jennifer: Du weiÃt doch, dass ich mitkommen will. Und dass ich nicht kann. Dieses Wochenende ist die groÃe Hochzeit.
Von Jennifer an Beth: Oh, stimmt. Freust du dich schon?
Von Beth an Jennifer: Ich freue mich darauf, dass es bald vorbei ist.
Von Jennifer an Beth: Weià Kiley eigentlich, wie stinkig ihre Trauzeugin ist?
Von Beth an Jennifer: Die ist so schrecklich glücklich, viel zu sehr, um so was zu bemerken.
Am Sonntag hab ich mein Kleid abgeholt. Es ist unglaublich hässlich, vor allem an mir, und ich hab immer noch keine Möglichkeit gefunden, meine Oberarme so zu bedecken, dass auch Kiley es für gut befindet.
Von Jennifer an Beth: Deine Arme sind ganz wunderbar.
Hatte die Hochzeit nicht ein Millennium-Motto? Steht das noch?
Von Beth an Jennifer: So war es geplant. Kiley wollte 2000 Papierkraniche falten, um sie bei dem Empfang zu verstreuen, hat dann aber bei 380 Stück aufgegeben. Jetzt ist das Thema Winter-Wunderland. (Daher wahrscheinlich auch die trägerlosen Kleider, nehme ich mal an.)
Ãbrigens glaube ich, dass du meine Arme nur wunderbar findest, weil ich sie immer bedeckt halte und die hohe Kunst der Ablenkung beherrsche. All meine Klamotten sind darauf ausgelegt, den Blick von meiner Arm- und Schulterpartie abzuwenden.
Von Jennifer an Beth: Wenn ich jetzt so drüber nachdenke â wir kennen uns bereits seit über sechs Jahren, und ich hab dich noch nie im Badeanzug gesehen. Oder in einem Trägertop.
Von Beth an Jennifer: Und das ist kein Zufall, meine Liebe. Ich hab die Arme einer sizilianischen GroÃmutter. Arme, mit denen
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