Liebe auf den zweiten Kuss
als Jack Dysart. Der Dezember erwies sich als der geschäftigste Monat bei den McKennas, seit Nell dort beschäftigt war, und das deprimierte sie etwas. Sollten die Menschen einander nicht gerade während solcher Festzeiten fester vertrauen?
»Nell, in dieser Jahreszeit geschehen mehr Selbstmorde als zu irgendeiner anderen«, sagte Gabe, als sie das ihm gegenüber erwähnte. »Das liegt an der Erwartungshaltung. Jeder möchte so leben wie in einem dieser idyllischen Gemälde von Norman Rockwell. In Wirklichkeit jedoch gleicht unser Leben eher dem Gemälde Der Schrei . Das macht den Leuten zu schaffen.«
»Ich bin glücklich«, verkündete Nell und versuchte, ihn nicht anzusehen. Seine Krawatte saß locker, die Ärmel waren aufgerollt und sein Haar zerstrubbelt, und irgendwie sah er aus wie ein ungemachtes Bett. Ein wirklich einladendes, wirklich heißes, ungemachtes Bett. Als sie das am nächsten Tag Suze gegenüber erwähnte, erwiderte diese: »Nun, dann tu doch endlich etwas.«
Nell schüttelte den Kopf. »Es gibt eine Bezeichnung für Sekretärinnen, die ihre Chefs verführen.«
»Minder bemittelt?«, fragte Suze.
»Gekündigt«, erwiderte Nell. »Mir gefällt meine Arbeit, und ich werde sie nicht aufs Spiel setzen, indem ich Gabe anmache.«
Sie waren gerade dabei, die Teestube für Margie weihnachtlich herzurichten – Martha Stewart hätte angesichts des Ladens einen Freudentanz aufgeführt, so durch und durch niedlich war er jetzt -, als Margie mit einem Tablett voller raffiniert verzierter Plätzchen hereinkam. »Nun, was meint ihr?«
»Das sind richtige Kunstwerke«, sagte Nell und meinte das ernst. Die Plätzchen hatten die klassischen Weihnachtsformen, doch die Glasur war glänzend und glatt wie Neuschnee und die feinen Verzierungen darauf waren perfekt ausgeführt.
»Da musst du Stunden dran gesessen haben.«
»Nur den Vormittag über. Ich habe mir überlegt, dass ich in Zukunft auch morgens aufmache. Vielleicht nur über die Weihnachtszeit. Was haltet ihr davon?«
»Budge wird vor Wut platzen«, meinte Suze. »Mach es.«
»Vormittags ist er im Büro«, sagte Margie. »Und die Leute trinken auch morgens gerne ihren Tee.«
Nell war immer noch mit den Keksen beschäftigt. »Sie sind wirklich sehr schön, Margie. Man könnte sie ideal als Geschenke verkaufen.«
»Meinst du?« Margies rundes kleines Gesicht leuchtete zufrieden auf. »Ich habe geübt und pfundweise Puderzucker verbraucht, aber allmählich habe ich den Dreh heraus.«
»Ich finde, du machst das großartig«, bestätigte Suze. »Wie schmecken sie denn?«
»Nimm doch einen«, forderte sie Margie auf, doch Suze wehrte ab. »Nicht doch. Hast du denn keine Bruchstücke?«
»Ich habe ein paar, die nicht hübsch genug sind, um sie zum Verkauf anzubieten.« Margie ging sie holen.
»Was sollte denn die Bemerkung über Budge?«, erkundigte sich Nell.
»Tut mir Leid«, erwiderte Suze. »Er macht Margie ganz verrückt, ruft sie ständig hier an und will, dass sie aufhört. Das ist so egoistisch von ihm, wo sie die Arbeit doch so gerne macht. Er hat vermutlich Angst, sie könnte jemand anderen treffen und ihn deswegen verlassen, aber Margie hat keinen solchen Dusel.«
»Klingt irgendwie nach Jack«, sagte Nell.
Suze schüttelte den Kopf. »Weißt du, erst hat er mich praktisch dazu gezwungen, den Job als Lockvogel aufzugeben. Und jetzt arbeitet er ständig bis spät in die Nacht, sodass er ohnehin nicht zu Hause ist. Ich vermisse ihn gar nicht so sehr, ich denke nur, wenn er gar nicht zu Hause ist, warum soll ich dann zu Hause bleiben müssen?«
Nicht gut , dachte Nell. »Was hast du ihm denn zu Weihnachten gekauft?«
»Nichts«, sagte Suze. »Warum soll ich ihm ein Geschenk mit dem Geld kaufen, das er mir gibt?«
»Schon gut«, versuchte Nell sie zu beruhigen.
»Was schenkst du Gabe?«
»Wir tauschen keine Geschenke aus. So nahe stehen wir uns nicht.«
»Verstehe. Was hast du ihm denn nun gekauft?«
»Nichts«, beharrte Nell. »Aber ich habe ein paar Bilder von seiner Wand vergrößern und in Goldrahmen fassen lassen, damit wir sie auch im Vorzimmer aufhängen können. Komm mit, ich zeige sie dir.«
Sie nahm Suze mit in den Lagerraum, Margie folgte ihnen mit den Keksen nach.
»Sie sind wirklich phantastisch«, bestätigte Nell nach dem ersten Bissen. »Sie schmecken wie die Mandelkekse.« Sie nahm sich noch einen für später und begann die Bilder auszupacken.
»Ich habe das Rezept abgewandelt«, erzählte Margie. »Ich dachte,
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