Liebe auf den zweiten Kuss
was ich dir auftrage, und du stellst alles in Frage, was ich sage, und ich wünschte mir, du würdest endlich damit aufhören. Du machst mich so wütend, dass ich dich anbrülle, und dann sehe ich dich an und kann nicht genug von dir bekommen, und gleichzeitig weiß ich, dass ich nie genug bekommen werde. Wenn ich ins Büro herunterkomme und du bist nicht da, ist mir der ganze Tag vermiest. Wenn ich einen schlechten Tag habe und du kommst herein, scheint die Sonne. Ich...«
»Ich liebe dich.« Nell setzte sich neben ihn und klammerte sich an seinen Arm. »Wie niemals einen anderen zuvor. Du lässt mich stark sein. Mit dir muss ich nicht so tun als ob. Ich fühle mich bei dir nicht schuldig .«
»Liebling, ich lasse dich überhaupt nichts tun«, bemerkte er belustigt. »So bist du einfach.«
Sie küsste ihn und hielt sein Gesicht zwischen ihren Händen und liebte ihn so sehr, dass es schmerzte. »Und jetzt lasse ich dich schlafen.«
»Das wäre ja noch schöner«, brummte Gabe. »Erst weckst du mich auf, dann soll ich schlafen.« Er presste ihren Rücken zurück in die Kissen, und sie schmiegte sich an ihn und dachte, er liebt mich, diesmal ist es für immer . Sie wusste, dass es möglicherweise nicht für immer war, denn für niemanden gab es ein Für-Immer, ein Bis-Zum-Schluss. Das muss genügen , dachte sie, dann schloss sie die Augen und liebte ihn zurück.
Am nächsten Morgen wachte Gabe auf, den Arm um Nell geschlungen. Er kämpfte sich durch einen schläfrigen Nebel und versuchte herauszufinden, was ihn eben geweckt hatte. Marlene saß am Fußende des Bettes, die Ohren gespitzt, und dann hörte er etwas aus der Nachbarwohnung, das sich wie ein erstickter Schrei anhörte.
»Was zum Teufel!« Er rollte aus dem Bett, die Hand nach seiner Hose ausgestreckt.
Nell setzte sich auf, ihre Stimme ebenfalls verschlafen. »Doris.«
Als er nach unten ging, klopfte Doris an die Tür und fiel förmlich mit ihr ins Haus, als er sie öffnete. »Was ist denn?«, fragte er und sie stammelte: »Der Keller. O mein Gott.«
»Was denn?«, fragte er.
»In der Tiefkühltruhe«, erwiderte sie und fing wieder an zu schreien. Er überließ sie Nell. Vorsichtig betrat er Doris’ Wohnung, ging dann vorsichtig die schmale Kellertreppe hinunter und dachte, was soll mit der Tiefkühltruhe sein ? Doch als er an einem Tisch voller Kränze aus Tannenzapfen vorbeiging und die schmale Tiefkühltruhe öffnete, rang er nach Atem und hätte um ein Haar selbst laut geschrien.
Lynnie lag dort eingeklemmt, blau und verschrumpelt und schon lange tot und nicht mehr auf der Flucht.
»Seit wann?«, fragte Nell, nachdem die Polizei gegangen war und Doris’ Eingangstür mit gelbem Klebeband versiegelt hatte. Doris war zu ihrer Schwester gefahren, denn sie beharrte darauf, keine einzige Nacht länger in diesem Haus verbringen zu können. »Seit wann war sie da drin?«
»Seit langem«, erwiderte Gabe und schenkte ihr Glenlivet ein. »Seit letztem September, würde ich sagen. Nachdem du mit ihr gesprochen hast, hatte sie sich doch mit ihrem Anwalt treffen wollen, nicht wahr?«
»Das sagte sie jedenfalls.« Seit letztem September. Ich bin über ihrer Leiche eingezogen.
»Und dann haben wir nie wieder etwas von ihr gehört.« Gabe reichte ihr das Glas. »Trink. Du siehst aus wie die Wand.«
»Du hast der Polizei nichts von O & D gesagt.« Nell nippte an dem Scotch.
»Dass Lynnie O & D erpresst hat, ist lediglich eine Vermutung«, erwiderte Gabe. »Ich halte es für eine ziemlich wahrscheinliche Vermutung, doch eine Tatsache ist es nicht.«
»Dass sie bei dir Geld unterschlagen hat, ist aber eine Tatsache.«
»Was willst du damit sagen?«
»Trevor schützt du, nicht aber dich selbst.«
»Nein«, widersprach Gabe. »Ich gebe der Polizei alle Informationen, über die ich verfüge. Sie wollen Tatsachen, keine Vermutungen.«
»Du möchtest verhindern, dass der Name deines Vaters besudelt wird«, fuhr Nell fort. »Du hast Angst, dass Lynnie Jack und Trevor mit Helenas Tod erpresst hat, und du hast Angst, dass die Polizei herausfindet, was dein Vater getan hat.«
»Misch dich nicht in Dinge ein, die du nicht begreifst.« Gabe ging in die Küche und stellte die Flasche Glenlivet zurück in den Schrank. Als er wieder heraustrat, zog er sich den Mantel über. »Ich muss mit Riley sprechen. Wir sehen uns später.«
Nell beobachtete ihn beim Weggehen und dachte, sonst bist du immer so clever, doch die Vergangenheit kannst du nicht ruhen lassen
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