Liebe auf den zweiten Kuss
Lockvogel für Riley, schmerzlichen Diskussionen mit dem Anwalt und langen Unterhaltungen mit Nell, die niemals müde wurde zuzuhören, selbst wenn Suze immer wieder zu denselben Themen zurückkehrte.
»Ich an deiner Stelle hätte große Lust, mich umzubringen«, meinte sie am Valentinstag zu Nell. »Ich weiß, dass ich immer wieder dieselben Dinge sage. Aber irgendwie komme ich nicht darüber weg. Ich sollte die Scheidung einreichen, dazu rät mir auch der Anwalt, aber irgendwie kann ich nicht...« Sie brach ab. »Es tut mir so Leid.«
»Du kommst mit der Sache viel besser klar als ich seinerzeit«, beruhigte sie Nell. »Ich habe damals fast anderthalb Jahre lang kein Wort über die Lippen gebracht. Was möchtest du zu Abend essen?«
Sie waren bei Nell zu Hause. Das wiederum verursachte Suze Schuldgefühle, denn Nell war endlich wieder glücklich mit einem guten Mann zusammen, der sie liebte. Und nun war sie hier aufgetaucht und hatte sich wie die Kröte im Märchen vor ihnen aufgepflanzt und vermieste ihnen den Tag. »Hör zu, heute ist Valentinstag. Ich kann nach Hause gehen...«
»Nur über meine Leiche«, unterbrach sie Nell. »Was hältst du von einem leckeren Wokgericht? Das bekomme ich schnell hin.«
»In Ordnung.« Suze schlenderte zurück ins Wohnzimmer, um Marlene zu streicheln. Es war erstaunlich, wie therapeutisch sich das Streicheln eines Dackels erweisen konnte, selbst wenn dieser Dackel eine solche Schauspielerin war wie Marlene. Sie hielt vor Nells Porzellanvitrine inne und betrachtete das Clarice-Geschirr. Das geheimnisvolle Häuschen stand alleine auf dem Hügel mit seinen einsamen Rauchzeichen und deprimierte sie ungeheuer. Also betrachtete sie stattdessen die Stroud-Kartuschen, das heitere kleine Haus mit den orangefarbenen Ziegeln inmitten perfekter kleiner Quadrate. Aus irgendeinem Grund war das noch schlimmer, das einsame kleine Haus in einem Quadrat gefangen, alles ganz ordentlich, alles ganz und gar unwirklich. Vielleicht entsprach es genau dem, was sie selbst gerade tat: alles in Ordnung zu halten und es mit einem schwarzen Rahmen zu umgeben. Wenn dein Ehemann dich betrügt, stößt du ihn ab. So gestaltete sich das Leben im Bilderbuch, nicht in der Wirklichkeit. Das wirkliche Leben war ungeordnet und durch Zweifel und Reue kompliziert. Vielleicht sollte sie nach Hause gehen und Jack anrufen. Vielleicht sollten sie ohne Anwälte miteinander reden.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Nell, als Suze in die Küche zurückkehrte, um ihr beim Tischdecken zu helfen.
»Vielleicht habe ich zu früh aufgegeben«, sagte Suze. Als Nell schwieg, drehte sie sich zu ihr um. »Was meinst du?«
»Ich meine, wie auch immer du dich entscheidest, werde ich hundert Prozent hinter dir stehen«, erwiderte Nell. »Und Margie wird ebenfalls hundert Prozent hinter dir stehen, mit einer Thermosflasche voll Sojamilch in der Hand.«
»Was würde ich nur ohne euch tun?«
»Das wirst du niemals erfahren müssen.« Nell stellte ihr einen Teller hin. »Und nun iss. Ich mache mir Sorgen, du könntest so dumm sein wie ich damals und in eine Art Wachschlaf fallen.«
So sehr Nell sich um Suze sorgte, sorgte sich Suze ihrerseits um Nell. Da sie mit Margie zusammen im Café arbeitete und abends für die Agentur den Lockvogel spielte, konnte Suze gleichsam aus der ersten Reihe Nells neue Beziehung beobachten. Ihrer Einschätzung zufolge würden die beiden jeder für sich alt werden, wenn Nell nicht allmählich zur Besinnung kam.
Denn trotz ihrer offensichtlichen Ekstase lebte Nell gar kein neues Leben. Nell hatte ihr altes Leben wieder zum Leben erweckt, sie kommandierte ihren neuen Chef genauso herum, wie sie es mit ihrem alten auch getan hatte. Das Problem dabei war, dass ihr alter Chef ein Waschlappen war, ihr neuer jedoch nicht. Nell verlangte etwas Bestimmtes, Gabe sagte nein dazu, und anschließend bastelte Nell hinter seinem Rücken daran herum. Dann brüllte Gabe, Nell zog ihn in ihr Bett, und die ganze Sache begann mit einem neuen Wunsch von Nell von vorne. Sie hatte noch drei große Ziele, vor deren Durchsetzung sie sogar selbst ein wenig Angst hatte: das Sofa, die Visitenkarten und das neue Fenster. Gabe und sie stritten sich entweder oder aber sie liebten sich oder sie waren auf dem Weg zueinander. Während Suze die Aufregung zwar verstehen konnte, konnte sie nicht begreifen, wie man so weitermachen konnte. Sie für ihren Teil hätte schon lange einer medikamentösen Behandlung bedurft.
»Ich verstehe
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