Liebe auf den zweiten Kuss
Frau.
»Ich kann Ihnen einen Termin geben«, schlug Nell freundlich vor. »Leider sind beide unserer...« Unserer was? Wie in aller Welt bezeichneten sie sich selbst? Als Detektive. »... Partner außer Haus. Wie wäre es mit dem...«
Sie wandte sich ihrem altmodischen Computer zu und öffnete die Datei mit dem Namen »Termine«. Sie war leer. Beide waren unterwegs und die verdammte Seite war leer. Wer in aller Welt kümmerte sich eigentlich um diesen Laden? »Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben«, fuhr Nell nun noch fröhlicher fort, »rufe ich Sie an, sobald sie wieder zurück sind. Dann können wir einen Termin vereinbaren.«
»Es handelt sich um eine Art Notfall.« Die Frau musterte die Couch argwöhnisch, dann setzte sie sich vorsichtig auf die Kante. »Ich lebe in Scheidung, und mein Mann misshandelt meinen Hund.«
»Wie bitte?« Voller Entsetzen beugte sich Nell vor. »Das ist ja schrecklich. Rufen Sie den Tierschutzverein an und...«
»Nein, darum geht es nicht.« Die Frau lehnte sich jetzt ebenfalls vor, und Nell fürchtete, die Couch würde im nächsten Moment unter ihr zusammenbrechen. »Er schreit sie die ganze Zeit an, dabei ist sie ohnehin eine sehr nervöse Hündin. Sie ist ein Dackel, ein Langhaardackel, und ich habe Angst, dass sie einen Nervenzusammenbruch erleidet.«
Nell stellte sich einen Langhaardackel vor, der einen psychotischen Anfall bekam. Das war typisch Mann, auf einer wehrlosen Kreatur herumzuhacken. »Haben Sie den Tierschutzverein...«
»Er schlägt sie nicht. Es sind keine Misshandlungen an ihr zu sehen. Er schreit sie nur die ganze Zeit an, und sie ist völlig durcheinander.« Die Frau beugte sich noch weiter vor. »Ihre Augen sehen so gequält aus, sie ist so unglücklich. Deswegen möchte ich, dass Sie sie retten. Nehmen Sie sie diesem Mistkerl weg, bevor er sie umbringt. Jeden Abend um elf lässt er sie noch mal vor die Tür. Zu diesem Zeitpunkt könnte sie jemand einfangen. Im Dunkeln wäre das nicht schwierig.«
Nell versuchte sich vorzustellen, wie Gabriel McKenna einen Dackel rettete. Nicht sehr wahrscheinlich. Riley dagegen würde sie es zutrauen. Er machte den Eindruck eines Kumpels, mit dem man Pferde stehlen konnte.
»Ich notiere mir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer«, wandte sie sich der Frau zu. »Möglicherweise kann Ihnen einer unserer Partner behilflich sein.«
Und wenn nicht die zwei, dann vielleicht sie selbst. Sie könnte vielleicht losziehen und das arme Tier vor dem Mann erretten, der versprochen hatte, sich um das Tier zu kümmern und anschließend ganz einfach seine Meinung geändert hatte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie klammheimlich in einen fremden Garten schlich, um einen Hund zu stehlen. Das sah ihr so gar nicht ähnlich.
»Riley wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen«, sagte sie, nachdem sie den Namen der Frau notiert hatte: Deborah Farnsworth, mit einer noblen Dubliner Adresse, sowie die ihres Mannes in Eaton, einer nicht minder vornehmen Gegend.
»Vielen Dank«, erwiderte Deborah Farnsworth, bevor sie mit einem zweifelnden Blick auf die Einrichtung das Büro verließ. »Sie waren sehr hilfsbereit.«
Mit diesem Büro muss etwas geschehen. Im Badezimmer fand Nell etwas Mehrzwecköl und behandelte die Eingangstür in der Hoffnung, dass sie dann nicht mehr quietschen würde. Anschließend ölte sie gleich noch die Türen der beiden Partner, denn wenn sie das Quietschen noch länger anhören musste, würde sie die Wände hochgehen. Um nicht länger an vernachlässigtes Büromobiliar und misshandelte Hunde zu denken, betrat sie Gabe McKennas Büro und begann es zu putzen. Sie staubte die SchwarzweißFotos an den Wänden ab und wischte über das dunkle Holz und das alte Leder, bis das ganze Zimmer in Folge ihrer verbissenen Beschäftigungstherapie glänzte. Dabei fiel ihr im Staub der Bücherschränke ein merkwürdiges Muster auf, so als habe jemand in einigen Regalen die Bücher vorgezogen und sie dann wieder an ihren Platz zurückgestellt. Vielleicht hatte Gabe McKenna etwas verlegt und hinter seinen Büchern danach gesucht. In diesem Chaos etwas zu verlegen, dürfte wahrlich nicht schwierig sein. Im hintersten Regal stieß sie auf einen alten Kassettenspieler und drückte den Wiedergabeknopf, neugierig darauf, welche Musik er sich anhörte. Vergnügte Hornmusik ertönte, bevor eine tiefe Stimme sang »You’re nobody till somebody loves you«. Sie drückte auf die Stopptaste und ließ die Kassette herausspringen. Dean Martin.
Weitere Kostenlose Bücher