Liebe auf den zweiten Kuss
nicht ein wenig zu rot?« Nell trat vor den Spiegel. Sie hatte sich immer noch nicht an ihr eigenes Spiegelbild gewöhnt. Mit der leuchtenden Farbe im Haar und etwas Make-up wirkte sie wieder halbwegs lebendig. »Ich hielt es für etwas zu kräftig, aber Steven meinte, es sähe ganz natürlich aus.«
»Wer ist Steven?«
»Suzes Friseur. Auf der anderen Seite des Parks. Er ist ein Genie.«
»Das kann man laut sagen«, bekräftigte Riley. »Alles wirkt ganz natürlich.«
Nell wandte sich zu ihm um und sah, wie er ihr Kleid musterte, ein leuchtend blauer Körperstrumpf, der sich wie eine zweite Haut an sie schmiegte. »Es gehört Suze«, sagte sie. Und als er fragte: »Was gehört Suze?«, wurde ihr klar, dass er ihren Körper und nicht ihr Kleid musterte. »Das Kleid. Meine beste Freundin, Suze, hat es mir geliehen.«
»Suze hat Geschmack«, bemerkte Riley. »Donnerwetter.«
»Ich muss also einfach nur nett sein, nicht wahr?«
»In dem Kleid brauchen Sie noch nicht einmal mehr nett sein«, erwiderte Riley. »Und jetzt haben wir ein Problem.«
»Welches Problem?« Nell zupfte an dem Kleid. »Ist es zu eng?«
»Für meinen Geschmack nicht. Für die Wanze schon.« Er hielt ein winziges Aufnahmegerät in der Hand. »Dies muss irgendwo untergebracht werden, wo man es nicht sehen kann.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann alles sehen.«
»Nein, das können Sie nicht.« Nell streckte ihre Hand aus. »Suzes Push-up-BH ist mindestens eine Größe zu groß für mich. Da ist noch Platz für eine ganze Stereoanlage.«
»Das enttäuscht mich jetzt aber«, erwiderte Riley und reichte ihr den Rekorder und das Mikrofon.
Es gelang ihr, den Rekorder in Suzes BH unterzubringen, doch das war auch das einzige, worüber sie froh war, als sie eine halbe Stunde später die elegante Hotelbar betrat und auf den Mann zuging, den Riley ihr von der Tür aus gezeigt hatte.
»Scotch mit Soda«, bestellte sie beim Barmann, dann blickte sie in den Spiegel hinter der Bar, bevor sie den Mann neben sich betrachtete.
Es war ein ganz normaler Typ in einem adretten Anzug, und er musterte sie. Zumindest musterte er Suzes Büstenhalter und Stevens Haar.
»Hallo.« Sie lächelte und wandte sich wieder ihrem Scotch zu. Die Reflexion ihrer roten Haare im Spiegel verblüffte sie. Es war lange her, dass sie so gut ausgesehen hatte. Sie befeuchtete sich die Lippen und lächelte erneut den Spiegel an, blickte tief in ihre eigenen Augen anstatt in die eines anderen und flirtete mit sich selbst, während sie ihren Scotch trank. Um ehrlich zu sein, sie hatte noch nie so gut ausgesehen. Fehlten nur noch ein paar Pfund auf ihren Rippen...
Der Mann neben ihr suchte im Spiegel ihre Augen.
»Hallo«, sagte er und streckte seine Hand aus. »Ich heiße Ben.«
»Hallo, Ben.« Sie schüttelte seine Hand. »Ich bin Nell.« Und ich bin scharf. Einigermaßen jedenfalls.
»Was macht denn eine nette Dame wie Sie an diesem Ort?«
»Sie genießt einen Drink.« Ihr Puls raste. Es war ein Wunder, dass er ihn beim Handschlag nicht hatte fühlen können. »Und wie steht es mit Ihnen?«
»Ich betrinke mich«, erwiderte er. »Ich bin geschäftlich in dieser Stadt, und ich langweile mich über alle Maßen. Sind Sie ebenfalls geschäftlich hier?«
»Ja.« Nell zog ihre Hand zurück, als der Barmann ihr den zweiten Drink servierte. »Ohne meinen Job wäre ich nicht hier.«
»Ein Prost auf Ihren Job«, sagte Ben und hob sein Glas.
»Mein Abend jedenfalls wäre ohne ihn weniger angenehm.«
Er war nett, stellte Nell fest, während er ihr Drinks spendierte und ihr zuhörte. Tim hatte ihr nicht mehr zugehört, seit sie ihm das Jawort gegeben hatte. »Sie gefallen mir«, gestand sie Ben über ihrem dritten Glas, erst dann fiel ihr wieder ein, dass er verheiratet war.
Er lächelte sie an. »Sie gefallen mir auch.« Sein Blick schweifte über die Bar. »Aber hier ist es ziemlich laut, und ich würde mich gerne länger mit Ihnen unterhalten.« Er sah ihr tief in die Augen. »Wie wäre es, wenn Sie mit auf mein Zimmer kämen, dort ist es ruhiger.«
Gab es auf der ganzen Welt keine treuen Männer? Wie in aller Welt konnte eine Ehe überhaupt halten?
»Tut mir Leid«, unterbrach Ben ihr Schweigen. »Das hätte ich nicht fragen sollen.«
»Nein, das ist schon in Ordnung. Ich bin nur gerade dabei, meine Scheidung zu verdauen, deshalb reagiere ich bei diesem Thema etwas empfindlich.«
Er lächelte sie an, beinahe süß, wenn sie nicht gewusst hätte, was für ein
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