Liebe auf den zweiten Kuss
errötete, ob vor Wut oder vor Peinlichkeit, hätte sie nicht sagen können. Aber spielte das überhaupt eine Rolle?
Den ganzen Weg die High Street hinunter schäumte Riley vor Wut. Nell wartete, bis sie wieder zurück in ihrem Appartement waren, dann drehte sie sich zu ihm um.
»Zugegeben, das hätte ich vermutlich nicht tun sollen.«
Er knurrte nur: »Vermutlich?« Dann ließ er eine lange Tirade darüber vom Stapel, welch schwerwiegende Konsequenzen ihre kriminelle Missachtung ihrer ausdrücklichen Anweisung hätte nach sich ziehen können. »Was haben Sie eigentlich vor?«, brüllte er sie schließlich an. »Gabe und mich in ein paar Zuhälter zu verwandeln?«
»Ich finde, Sie übertreiben.« Nell war den Tränen nahe. Sie hatte seit Monaten nicht mehr geweint, nicht, seit Tim sie verlassen hatte. Sie versuchte, Rileys Anschuldigungen anzuhören und in Tränen auszubrechen, doch sie wollten nicht kommen. Sie konnte ganze Büroeinrichtungen zerstören, ihre Haare färben und alle Männer der Welt verführen, doch nie und nimmer würde sie jemals wieder etwas empfinden können. Unendlich deprimiert ließ sie Riley mitten im Satz stehen und ging in ihr Wohnzimmer, setzte sich im Dunkeln auf ihr Schlafsofa und konnte immer noch nicht weinen. Noch nicht einmal das Bett hatte sie selbst gekauft. Suze hatte es für sie besorgt. Sie war ein Gespenst in ihrem ganzen Leben.
Kurz darauf trat Riley ein und setzte sich neben sie. »Ich habe jetzt genug gebrüllt«, sagte er mit ganz normaler Stimme. »Was ist denn nur los mit Ihnen?«
»Ich kann nichts empfinden«, erwiderte Nell. »Ich habe seit Ewigkeiten nichts mehr empfunden. Ich vergesse zu essen, weil ich keinen Hunger verspüre. Ich finde heraus, dass mein Mann mich angelogen und hintergangen hat, und ich verwüste sein Büro...«
»Wie bitte?« Riley klang alarmiert.
»… und um fünf Uhr bin ich schon wieder vollkommen gefühllos. Schließlich lande ich im Hotelzimmer eines mir vollkommen fremden Mannes, und er küsst mich, und ich fühle nichts. Rein gar nichts. Noch nicht einmal Abneigung oder Angst.« Sie sah ihn an. »Ich bin tot. Und ich werde wohl auch nie mehr lebendig werden. Der Mann hat mich geküsst, und ich habe überhaupt gar nichts empfunden.«
»Er war ein vollkommen Fremder, der seine Frau betrog«, meinte Riley. »Ich glaube nicht, dass Sie das sonderlich anmacht.«
»Nichts macht mich besonders an«, nickte Nell. »Ich bin wie außer Betrieb, und ich glaube, daran wird sich auch nichts ändern.« Sie atmete tief und bebend ein. »Ich hatte angenommen, mein äußeres Erscheinungsbild zu verändern, würde daran etwas ändern. Aber das sind alles nur Äußerlichkeiten. Innerlich fühle ich mich immer noch vollkommen grau. Daraus kann ich nicht ausbrechen.«
Ihre Stimme wurde schrill wie ein Fingernagel auf einer Tafel, und sie erwartete, dass Riley zurückzucken würde. Stattdessen legte er seinen Arm um ihre Schultern, kräftig und beschützend.
»Steigern Sie sich mal nicht so in die Sache rein«, sagte er.
Beleidigt wich sie zurück. »Hören Sie«, begann sie, da beugte er sich vor und küsste sie.
5
Überrascht schlang sie zunächst ihre Arme um ihn und dann, weil er sich gut anfühlte, heiß auf ihren Lippen, fest unter ihren Händen. »Was war denn das ?«
»Du denkst zu viel.« Riley ließ seine Finger ihren Hals hinabgleiten, und sie erschauerte. »Siehst du? Gar nichts ist abgestorben.«
»Hör mal, ich habe ernsthafte Probleme.« Nell versuchte, Entrüstung in ihre Stimme zu legen, doch als er mit seinen Fingern über ihre Brüste fuhr, verlor sie den Faden.
»Du hast überhaupt keine Probleme«, widersprach Riley. »Du hast dich von einem Mann scheiden lassen, der dich gar nicht erst verdient hat; du hast Freunde, die sich deinetwegen Sorgen machen und dir einen tollen Job verschafft haben; und heute Abend hast du auch noch mich. Probleme kann ich da nicht sehen.«
»Nun, ich...«
Er küsste sie erneut, und dieses Mal wanderten seine Hände über ihren ganzen Körper, und sie fühlten sich auf ihren Brüsten so wunderbar an, dass sie gar nicht anders konnte, als seinen Kuss zu erwidern. Plötzlich wollte sie, dass er sich an sie presste, mit ihr rang, sie wieder zum Leben erweckte. »Siehst du?«, flüsterte er an ihren Lippen. »Du warst ganz einfach nur mit dem falschen Mann zusammen.«
»Ach, und du bist dann also der Richtige?« Es überraschte sie selbst, dass sie lachte.
»Für heute Nacht bin ich der
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