Liebe auf südlichen Straßen
gehalten. Sie stellte die derben Gläser auf den Tisch und schenkte den Wein ein, ehe sie ihren Gästen gegenüber auf einem Schemel Platz nahm.
»Alla salute, Signora! Salute, Lorenzo!« Sie hob ihr Glas und trank den beiden zu. Elisabeth nickte dankend, wiederholte den Trinkspruch und setzte das Glas an die Lippen. Es war ein leichter säuerlicher Wein, klar, kühl und ohne Tücke. Lorenz leerte sein Glas durstig bis zur Neige und hielt es Anna entgegen, die ihm neu einschenkte.
»Der Weg war länger und steiler, als ich ihn in der Erinnerung hatte«, sagte er mit Handbewegungen, die seine Worte auch Elisabeth verständlich machen sollten.
»Wie lange willst du mit deiner Frau in Gargnano bleiben, Lorenzo?« fragte Anna und ließ die Augen zwischen den Gästen hin und her wandern.
»Solange es Elisabeth gefällt. Sie findet Gargnano sehr schön.«
Anna drehte sich halb um und beschrieb mit der Hand einen Bogen, der das Panorama von Castelletto über Malcesine bis nach Riva umfaßte: »Bella vista, Signora! Bella vista...!« Sie sagte es langsam und deutlich, als könne sie sich durch die deutliche Aussprache Elisabeth verständlicher machen, und sie lachte erfreut, als Elisabeth ihre Worte wiederholte und ein »bellissima vista!« hinzufügte. Aber gleichzeitig hob Elisabeth mit einer entschuldigenden Geste die Hände, um anzudeuten, daß mit diesen beiden Worten auch ihr italienischer Sprachschatz erschöpft sei und damit auch ihr Beitrag zur Unterhaltung.
»Ich habe nicht geglaubt, dich hier anzutreffen, Anna«, sagte Lorenz sehr rasch, »denn der Podestà, Signor Zanella, schrieb mir vor vier oder fünf Jahren auf meine briefliche Anfrage nach Nonno Anselmos Ergehen, daß der alte Mann gestorben sei und daß das Haus und der Garten einem Mann namens Pietro Cosini gehöre.«
»Natürlich mußte er so schreiben, denn Pietro Cosini ist mein Mann. Ich habe im Jahre fünfzig, ein halbes Jahr nach dem Tode meines Schwiegervaters, zum zweitenmal geheiratet.«
»Da kommt mein Glückwunsch allerdings reichlich spät. Ich hoffe, daß du gut verheiratet bist.«
»Ich war noch nicht so alt, um ein Leben lang Witwe bleiben zu wollen. Auch Pietro hat Unglück gehabt. Er verlor seine Frau und zwei kleine Söhne durch die Bomben. Er ist nicht mehr jung, fünfundvierzig, aber er ist ein fleißiger und nüchterner Mann. Die Karten rührt er nicht an. Er spielt nicht einmal Lotto, obwohl man beim Lotto doch mit sehr kleinem Einsatz auf einen Schlag Millionär werden könnte. Erst vor wenigen Wochen hat ein Bäcker in Pistoia zehn Millionen Lire gewonnen. Madonna mia, stell dir das vor, Lorenzo! Zehn Millionen...!«
»Arbeitet dein Mann in Gargnano?«
»Nein, denn er stammt aus der Gegend von Carrara und geht jeden Sommer in die Steinbrüche. Eine harte und gefährliche Arbeit, denn er ist Sprengmeister; aber es ist ein guter Verdienst!«
»Hier hat sich nichts inzwischen geändert...«, sagte er und schaute sich um, »die Oliven sind ein wenig größer geworden, aber das Haus steht noch genauso, wie es stand...«
»Für die kurzen Wintermonate, in denen Pietro hier ist, reicht der Raum. Allzulange wird er es freilich in Carrara nicht mehr schaffen. Seine Lunge ist angegriffen. Der Marmorstaub setzt ihm von Jahr zu Jahr mehr zu...«
»Das sind aber keine sehr erfreulichen Aussichten...«
»Die Madonna wird weiterhelfen und die heilige Anna, meine Patronin«, sagte sie und drückte einen flüchtigen Kuß auf das geweihte Medaillon, das sie an einer dünnen Silberkette am Halse trug. »Wir sparen, Lorenzo, verstehst du... Wir sparen jeden Soldo. Auf der Banco di Gargnano, wo das Geld mit drei Prozent verzinst wird oder sogar mit dreieinhalb... Pietro ist von uns beiden der bessere Rechner, er könnte es dir ganz genau sagen. Und wie sparsam er ist! Gerade, daß er am Sonntag nach der Messe einen halben Liter Roten oder einen Espresso trinkt und zwei Zigaretten raucht. Und ich spare natürlich auch...«
»Du warst schon immer eine tüchtige Hausfrau, Anna...«
»Das sagt Pietro auch. — Und der Garten brachte in den letzten Jahren gute Ernten...« Sie schlug heimlich ein Kreuz und spie leicht über die linke Schulter, »mittlere Ernten...!« fügte sie rasch hinzu, um das Glück nicht zu verrufen, »man konnte zufrieden sein.«
»Und wozu sammelt ihr den Reichtum?« fragte er leicht belustigt.
»An der Piazza Feltrinelli, gleich um die Ecke hinter der Banco di Gargnano, wo der Corso beginnt, ist eine Cafeteria. Sie
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