Liebe auf südlichen Straßen
Jedenfalls nahm sie meine Warnung ernst und trat möglichst wenig in Erscheinung.
Bald darauf meldete der Posten die Ankunft des Regimentsstabes und der Abteilung, zu der wir gehörten. Sie war grauenhaft zusammengeschlagen worden und hatte fast den ganzen Troß und so viele Geschütze verloren, daß wir nur noch zwei komplette Batterien aufstcllen konnten. Diese bezogen eine Stellung in der Nähe der Straße, was aber mehr eine moralische als praktische Bedeutung hatte, denn die Munition war äußerst knapp. Immerhin hatten sich hier wieder mehr als tausend Mann gesammelt, die verpflegt werden wollten, und das war in einem Landstrich, der selber nichts zu bieten hatte, ziemlich schwierig.
Mir hing es zum Halse heraus, bei Hauptmann Södering, dessen Ansprüche zugleich mit den Lebensgeistern wuchsen, den Spieß zu spielen. Zum Glück war ein gewisser Überschuß an Chargen vorhanden, so daß ein Oberfeldwebel, der zur Zeit sozusagen arbeitslos war, meine Geschäfte übernehmen konnte. Er hieß Lothar Hempel, stammte aus Zwickau, sprach ein ohrenbetäubendes Sächsisch und diente bei der Truppe aktiv. Es ging von ihm das Gerücht, daß er ein scharfer Hund sei, aber vielleicht waren ihm auf dem Rückzug die Schwingen gebrochen worden, denn er stellte sich äußerst mild und lieb an.
Vieles funktionierte nicht in dieser Zeit. Dafür funktionierte der Papierkrieg beim Regimentsstab um so besser. Meine Beförderung zum Feldwebel, vom Chef vor zehn Tagen eingereicht, kam ausgefertigt und von Oberst v. Krauthaven persönlich unterschrieben an, nachdem einen Tag zuvor Oberfeldwebel Hempel Mutter der Batterie geworden war. Paul Borngräber malte mir mit Kreide einen Stern zwischen die Tressen der Achselklappe, und Angela fischte mir ein besonders großes Stück Fleisch aus dem Kessel.
»Nun, maresciallo Lorenzo«, fragte sie und blinzelte mich an, »willst du mich vielleicht jetzt, wo du ein großer Mann geworden bist, in hohem Bogen herausschmeißen?«
»Schau lieber zu, daß du irgend etwas Trinkbares auftreibst!«
Tatsächlich schleppte sie wenig später einen Zwanzigliterballon mit ziemlich schäbigem Rotwein herbei, und ich konnte meine Männer zu einer kleinen Feier einladen. Am nächsten Tag kam ein Großangriff auf die Straße. Jabos brausten über sie hinweg und schossen zusammen, was ihnen vor die Bordkanonen kam. Einige wurden von uns erledigt, aber das nützte alles nicht viel, sie saßen am längeren Hebelarm und machten uns fertig.
Wir räumten unsere luftigen Schilfhütten und zogen nach Norden ab. Einmal hieß es, die Abteilung würde in Bassano neu aufgestellt und bewaffnet, dann war es wieder Viterbo, dann Orvieto, dann Todi und schließlich Perugia; aber überall, wo wir auch hinkamen, erwarteten uns neue Verwirrung und ein neues Gerücht. Inzwischen aber hackten die Jabos munter auf uns herab und dezimierten unsern kleinen Haufen um fünf Tote und ein rundes Dutzend Verwundete. Ich selber bekam einen Splitter in die Schulter, der aber nur ein wenig Fleisch ausriß, die Wunde heilte rasch zu. In diesen Tagen gelang es mir, den Spieß davon zu überzeugen, daß eine Flankensicherung der Batterie notwendig sei. Eine Himmelssicherung wäre wichtiger gewesen, aber er schluckte auch die Flankensicherung, und auf diese Weise hielt ich meinen kleinen Verein, mit dem ich von Pastola ausgezogen war, zusammen. Wir schlugen uns seitwärts durch die Büsche und unterhielten nur eine lockere Verbindung mit der Abteilung, um zur Stelle zu sein, wenn wir neu aufgestellt wurden.
Angela hatte irgendwo ein Paar Knobelbecher, eine feldgraue Hose und eine Uniformjacke mit gelben Nachrichten-Spiegeln aufgegabelt. Die Brust des Soldaten war ein wenig zu üppig, aber bei flüchtiger Musterung konnte auch der schärfste Feldpolizist nicht entdecken, daß hier eine Dame mit uns marschierte, die zudem noch in anderen Umständen war. Aber das sah man Angela noch nicht an. Sie hatte sich in diesen Monaten zu einem ausgezeichneten Soldaten entwickelt, verpflasterte unsere Füße, schnitt uns die Haare und trieb immer etwas für den Kochtopf auf. Rechts und links von der Straße waren die Bauernhöfe wie leer gefegt. Zahnlose alte Leute und Kinder grinsten uns dumm an und erklärten, die Deutschen vor uns hätten das Vieh weggetrieben und den Hof kahlgefressen. Unsere Mägen krachten vor Hunger. Aber die Flieger trieben uns voran, und die Nachhuten waren zu schlecht bewaffnet und litten auch unter Munitionsmangel, um die
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