Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
Verbände, die uns nachstießen, tagelang auf. Erst wenn es ihnen zu dumm wurde, walzten sie die dünnen Sperriegel mit Bomben nieder, schlugen stundenlang auf die Rückzugsstraßen ein und rollten wieder ein Stück voran, bis das gleiche Spiel von neuem begann. Vor Arezzo versteifte sich unser Widerstand. Nicht ganz unfreiwillig, denn die Straße über den Apennin verstopfte sich immer wieder und ließ die Kolonnen nur langsam vorankommen.
    Wir hatten genug Erfahrungen gesammelt, um die dicke Luft förmlich zu riechen. Die Berge rückten näher heran, und die Straße wurde immer enger. Rechts ging es hinter der Sicherungsmauer tief und steil in ein trockenes Flußbett hinunter, und links schoben sich die Felswände nicht minder steil und himmelhoch an die schmale Fahrbahn heran. Ich hielt meine Männer zusammen und wartete auf einen günstigen Moment, hier rasch durchzukommen. Hinten schienen die Engländer schwer nachzudrücken, denn es stauten sich immer mehr Fahrzeuge und Marschierer an. Und plötzlich, in einem Kessel, aus dem es auf eine Strecke von drei oder vier Kilometern kein Vor und kein Zurück gab, ging vorn ein Munitionstransport in die Luft. Die Explosion hallte ohrenbetäubend von den Felswänden wider.
    Vorn verkeilten sich Gespanne, Motorschlepper und Geschütze. Pferde gingen durch und stürzten mit ihren Fahrern und dem Transportgut in die Tiefe. Ein paar Ochsen, die von einer Feldküche mitgeführt wurden, drückten zurück, wurden wild und rasten in die nachdrängenden Kolonnen. Es war ein allgemeiner Wirrwarr, in dem ich von meinen Leuten getrennt wurde und nur Hein Pechvogel bei mir behielt. Die Wand fiel hier nicht allzu steil ab und war auch nicht mehr als fünfzehn Meter tief. Ich brüllte nach meinen Männern, aber der Lärm ringsum verschluckte meine Stimme. Von Hein gefolgt, kletterte ich den Steilhang hinab, und bald hingen, unserem Beispiel folgend, eine Menge Männer wie im Klettergarten an der Steilwand, um die Talsohle zu gewinnen und unterhalb der Straße aus dem Hexenkessel herauszukommen. Plötzlich entdeckte ich oben Angela, die ihren Paolo verloren zu haben schien. Aber in dem Augenblick, in dem sie mich sah und mir etwas zuzurufen versuchte, was ich in dem Höllenlärm nicht verstand, erschien dröhnend wie ein Gewitter ein Bomberpulk über den Bergen, so niedrig, daß die Rümpfe der Flugzeuge den Fels zu streifen schienen. Und plötzlich sah ich, wie die Führermaschinen rechts und links Rauchbomben auswarfen und das Abwurfziel absteckten. Ich gab Hein einen Stoß und rannte ums Leben von der Straße fort über glatte flachgeschliffene Flußkiesel und Geröll zu der gegenüberliegenden Felswand, in der der Fluß ein weicheres Gestein unterspült und Höhlen eingegraben hatte. Keine Sekunde zu spät. Denn im nächsten Augenblick öffneten sich die Schächte und die Bomben rauschten auf die Straße herab. Hunderte von Explosionen blitzten aus gelben Wolken stinkenden Pikrin-dampfes rot auf, die Luft erbebte von ungeheuren Schallwellen, die aus allen Richtungen aufeinanderprallten und die Trommelfelle mit einem niederträchtigen Schmerz bis zum Zerreißen spannten. Sekunden später wirbelte ein Regen von Stahl, Steinsplittern, Materialfetzen, Fleisch und Dingen aller Art durch die Luft und fiel auf die Talsohle nieder. Und als der Pulk sein Zerstörungswerk längst vollendet hatte und jenseits der Berge rasch verschwunden war, explodierten noch immer die Granaten der getroffenen Munitionstransporte.
    Uns hatte der ungeheure Luftdruck zuerst an die Felswand geschmettert und dann wie Pfropfen aus Flaschenhälsen aus dem natürlichen Unterstand herausgesogen. Ich erwachte in einer ungeheuerlichen Stille, oder vielmehr mit dem Empfinden einer grauenhaften Stille, denn das Ohr reagierte nach dem Explosionsdruck der schweren Bomben nicht mehr auf schwächere Geräusche. Straße und Tal brannten und qualmten an allen Ecken und Enden. Es war eine unbeschreibliche Verwüstung. Ich tastete mich ab und war heilfroh, als ich meine Knochen zählte und feststellte, daß ich lebte und nichts verloren und nichts gebrochen hatte. Hein blutete aus einer Armwunde, aber es war nichts von Bedeutung, ihn hatte nur ein Steinsplitter gestreift. Wir kamen auf die Beine und sahen uns um. Es war ein Anblick, der einen Mann noch auf dem Sterbebett verfolgen konnte.
    Zwanzig Schritt von uns entfernt versuchte ein Mann hochzukommen und winkte uns zu. Es war Paul Borngräber. Wir rannten zu ihm hin. Er war

Weitere Kostenlose Bücher