Liebe auf südlichen Straßen
seinen schwarzen Kleidern hing der schwere Weihrauchduft.
»Ah, Maresciallo!« sagte er, als er meiner ansichtig wurde, und schickte die Buben in ihren spitzenbesetzten Meßgewändern voran, »ich wünschte mir schon lange einmal, Sie zu treffen.«
Da er so gerade auf sein Ziel lossteuerte, sah ich nicht ein, weshalb ich weniger aufrichtig sein sollte.
»Wahrscheinlich ebenso lange, wie ich mich bemühe, die Begegnung mit Ihnen zu vermeiden, Don Serafino...«
Er hielt den flachen schwarzen Jesuitenhut, den ihm ein Windstoß zu entführen versuchte, mit beiden Händen fest und sah mich mit einem schweren Blick von der Seite an. Er war trotz seines seraphischen Namens kein Asket, sondern einer von jenen Pfarrherren, die ihre Freude an den guten Dingen haben, die der Herr beschert. Das hatte ihn schwer und seinen Atem kurz gemacht.
»Ihre Antwort zeigt mir, daß wir beide wissen, worum es geht, Maresciallo!«
»Dann werden Sie auch wissen, Don Serafino, daß nichts geschehen ist, was unverantwortlich wäre!«
»Wirklich nichts, mein Sohn?« fragte er und hüstelte.
»Nichts, was ich nicht vor meinem Gewissen verantworten könnte!« gab ich ihm mit einiger Schärfe zur Antwort.
»Ruhig Blut, mein Sohn!« sagte er und griff nach meinem Arm. »Sie mögen recht haben. Und wenn Ihre Gefühle für eine gewisse junge Dame so beständig bleiben, wie sie es zu sein scheinen, dann werden Sie die letzte Auseinandersetzung nicht gegen mich, sondern gegen den Marchese della Rocca di Sanforino zu bestehen haben. Und dazu werden Sie, fürchte ich, eines stärkeren Beistandes bedürfen als meiner schwachen Kraft. Und ich nehme doch an, daß Sie nicht nur mit dem Feuer spielen, maresciallo!«
»Das schwöre ich Ihnen bei Gott, Don Serafino!«
»Schön, schön«, sagte er und schnaufte tief auf, »aber darum handelt es sich ja gar nicht.«
»Worum denn sonst?«
»Es geht darum, Maresciallo, daß Sie die junge Dame, die wir meinen, in höchste Gefahr bringen.«
»Verzeihen Sie, Don Serafino, wie soll ich das verstehen?«
»Der Platz, an dem Sie sich mit der jungen Dame zu treffen belieben, scheint nicht so sicher und abgelegen zu sein, daß er der Aufmerksamkeit unbekannter Beobachter entgangen ist.«
Ich blieb unwillkürlich stehen und zwang ihn, zu halten.
»Wollen Sie damit etwa sagen, daß der Marchese di Sanforino...«
»Nein, nein!« unterbrach er mich, »es ist etwas ganz anderes und meiner Meinung nach viel Bedrohlicheres, obwohl Sie die Schwierigkeiten, die Ihnen von jener Seite entstehen werden, die Sie soeben erwähnten, nicht unterschätzen mögen. Mit einem Wort: Die junge Dame hat unmißverständliche Drohbriefe erhalten, die zweifellos aus dem Lager der bandièra rossa stammen!«
»Woher wissen Sie das, Don Serafino?« rief ich aufs äußerste bestürzt, »die Marchesa hat mir kein Wort davon gesagt!«
»Ich nehme an, daß sie Sie nicht beunruhigen wollte. Und um jeden Zweifel auszuschließen, Maresciallo, es ist kein Beichtgeheimnis, das ich Ihnen hier sage und anvertraue. Die Marchesa erzählte es mir bei einem Spaziergang vor einigen Tagen, als sie mich ein Stück Weges nach Camogli begleitete.«
»Aber daß sie mir nichts davon gesagt hat...!«
»Es gibt wohl Dinge, die man lieber einem alten Mann anvertraut. Vielleicht, weil man den Rat der Erfahrung braucht. Ich habe in diesem Falle leider zu nichts anderem als zu größerer Vorsicht raten können...« Er blinzelte mich an und hüstelte spröde. »Es ist meinem schwachen Verstände leider zu spät eingefallen, daß mein Ratschlag als Billigung und Unterstützung eines Zustandes angesehen werden könnte, den ich streng mißbilligen muß. Aber es gibt Geschöpfe, die der liebe Herrgott mit so viel Liebreiz der Seele und des Leibes ausgestattet hat, daß man ihnen nicht zu widerstehen vermag. Das haben Sie wohl auch schon erfahren, maresciallo?«
»Zum erstenmal in meinem Leben, Don Serafino...«
Er stieß einen lauten Seufzer aus.
»Gioventù, gioventù! Große Gefühle und große Worte! Sagen Sie einem alten Mann lieber, was Sie nun tun werden!«
Ich blinzelte ihn meinerseits von der Seite an: »Ich werde dem Rat eines alten und erfahrenen Mannes folgen und vorsichtiger sein!«
Er kicherte durch die Nase: »Sie sind ein Filou, mein Sohn!« sagte er und schien sich zu überlegen, ob er mich mit einem Tritt in den Hintern oder mit seinem Segen verabschieden sollte, aber schließlich entschied er sich doch für den Gruß, der seiner Würde
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