Liebe auf südlichen Straßen
dabei, Zio«, sagte er ein wenig ängstlich und atemlos, als der Weg kam, in den er einbiegen mußte, »daß du heute nachmittag mit Signora Donatello sprichst?«
»Das ist unter uns beschlossen und abgemacht, und dabei bleibt es. Und deine Mamina wird sich schon dreinfinden. Lauf jetzt zu ihr, und sag ihr nicht, daß du mit mir gesprochen hast, und verrat dich auch sonst nicht, sie hat scharfe Augen.«
»Keine Sorge, Zio Lorenzo! — Sehen wir uns noch?«
»Auf jeden Fall!«
Er winkte seinem Sohn zu und lief über die Straße zum »Haus der Ingenieure«. Im Garten waren die Damen nicht mehr. Bevor er die Treppe hinauflief, warf er einen Blick in die Küche, wo Signora Dellarossa ihren fünf Kindern gewaltige Spaghettiportionen auf die Teller häufte.
»Ehi, Signor Bonaventura!« rief sie ihm zu, »Ihre Frau hat hier zwei geschlagene Stunden auf Sie gewartet. Sie kommt vor Hunger um, die Arme. Wo steckten Sie nur so lange? Vor einer halben Stunde ist sie nach Gargnano gegangen, aber sie hat oben einen Zettel mit einer Nachricht für Sie hinterlassen, wo Sie sie finden werden. Beeilen Sie sich!«
Er wünschte Signora Dellarossa und ihrer Familie guten Appetit und lief in das Zimmer hinauf. Es war verdunkelt, und er mußte das Licht andrehen, um Elisabeths Nachricht zu finden. Der kleine Zettel, aus ihrem Taschenkalender herausgerissen, lag auf seinem Kopfkissen.
»Du findest mich am Dampferanlegeplatz.
Ich habe hier lange auf Dich gewartet.
Komm bald! Deine Elisabeth«
Unter dem Wort Deine befand sich ein etwas kräftig geratener Punkt, als hätte sie zuerst die Absicht gehabt, dem Wort durch eine Unterstreichung eine besondere Bedeutung zu geben, um es dann doch lieber zu unterlassen. Lorenz starrte lange auf den Zettel, als sähe er Elisabeths Handschrift zum erstenmal. Er fuhr mit der Fingerspitze zärtlich über die drei Zeilen und schob den Zettel mit einem lauten erleichterten Aufatmen in die Tasche. Aber bevor er sich auf den Weg machte, streifte er das klebende Hemd ab, duschte sich im Badezimmer kalt ab, wechselte die Wäsche, zog die nassen Haare straff über den Schädel und fühlte sich innerlich und äußerlich wie neu erschaffen. Allerdings geriet er von neuem in Schweiß, als er das Verdeck des Wagens zurückklappte. Im Innern herrschte die Temperatur eines Backofens, aber die Arbeit war mit ein paar Handgriffen geschehen, und wenige Minuten später konnte er den Wagen vor der Kaimauer des Porto nuova parken.
Er glaubte Elisabeth in einer der Cafeterien zu finden, aber dann sah er sie schon von weitem einsam unter den gestutzten Orangenbäumen auf einer Bank der Uferpromenade sitzen, die um diese Stunde leer wie eine Tenne war. Die ganze Stadt war wie ausgestorben, die Läden geschlossen, die Jalousien herabgelassen, an den Eingängen der Gelaterien hingen die Perlenschnüre steif herunter, und nur im schattigen Garten des Hotels »Aquila d’oro«, einer in den See hineingebauten Terrasse, saßen ein paar Gäste und nahmen ihr Mittagsmahl ein. Lorenz hob den Arm und war im Begriff Elisabeth anzurufen, aber als gäbe es eine geheime Anziehungskraft zwischen ihnen, die auch auf die Ferne wirksam war, drehte sie sich im gleichen Augenblick um und sprang auf und lief ihm entgegen. Auf halbem Wege trafen sie sich, und Lorenz fing seine Frau unbekümmert um die Hotelgäste, die dem Schauspiel interessiert zusahen, in seinen Armen auf und hielt sie sekundenlang fest an seiner Brust.
»Oh, Lorenz!« sagte sie mit einem Ausdruck und mit einer Bewegung, als wäre es ein Wiedersehen nach vielen Jahren der Trennung.
»Elisabeth!« Er zog ihre Finger an seine Wange und preßte seine Lippen in die kühle Wölbung der Innenhand, »liebstes Herz, daß du nur wieder da bist! Ich habe wahrhaftig geglaubt, du seiest mir davongelaufen...«
»Aber Lorenz, wie kommst du darauf? — Du schliefst so fest, und ich wollte dich nicht stören. Und mir war so heiß, und ich konnte nicht schlafen und hatte solch einen Hunger nach Luft...«
»Du hast die ganze Nacht kein Auge zugemacht, du Arme...«
»Ach, Lorenz, ich war eine dumme eifersüchtige Gans. Ich schäme mich, dir zu sagen, daß ich stundenlang neben dir lag und aus Trotz und Dummheit nicht den kleinen Weg zu dir fand...«
»Und ich wagte nicht, zu dir zu kommen...«
»Ich hatte das Gefühl, du seiest meilenweit von mir entfernt und hättest es endgültig satt, dich von mir quälen zu lassen. Ja, ich war eifersüchtig...«
»Aber du weißt jetzt, daß
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