Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
der Woche besuche ich die Abendschule und habe schon eine ganze Menge über alternative Heilmethoden gelernt. Meine Tante hat ihre eigene Meinung zu meinem neu erlangten Wissen.
Sie glaubt einfach nicht, dass man mit Homöopathie auch nur annähernd etwas erreichen kann. Ich dagegen werde wohl nie verstehen, wie sie ernsthaft annehmen kann, dass ihre Zauberrezepturen Krankheiten kurieren können.
„Du willst doch deine zukünftigen Patienten nicht mit irgendwelchen Kügelchen behandeln“, sagte sie bei einem unserer letzten Telefonate. „Du kennst doch jede erdenkliche Rezeptur aus meinem Repertoire. Damit bist du gut genug ausgestattet, um Krankheiten jeglicher Art zu behandeln. Und denke nur an deine unerschöpflichen Möglichkeiten, wenn du erst einmal verstanden hast, mit deinem noch unentdeckten Potenzial zu heilen.“
Sie meint meine Hände damit. Die benutze ich jetzt lieber zum Streicheln von Clark oder Charly. Sie ist doch tatsächlich der Meinung, dass ich fähig sei, durch bloßes Auflegen meiner Hände zu heilen. Ich habe mich allerdings entschlossen, lieber bei den populären Heilmethoden zu bleiben. Vom geistigen Heilen verstehe ich nun wirklich nichts. Auch wenn meine Tante das anders sieht.
Ich bin bei meiner Tante aufgewachsen. Meine Eltern starben kurz nach meiner Geburt bei einem Unfall. Aus den Erzählungen meiner Tante weiß ich, dass ich aus einer Heilerfamilie stamme. Mein Vater war studierter Mediziner und meine Mutter war eine Heilerin. Sie arbeitete viel mit Kräutern und hatte sich ganz der Naturheilkunde verschrieben. Meine Tante ist ebenfalls eine Heilerin, allerdings mit skurrilen Methoden. Sie braut die merkwürdigsten Zaubertränke in ihrer Hexenküche zusammen, dabei murmelt sie immer ein paar Verse vor sich hin. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sie vielleicht für durchgeknallt halten. Aber sie ist eben einfach nur, wie sie ist. Und für mich ist das meistens okay. Bis auf die kleinen Peinlichkeiten, die man mit ihr hin und wieder erleben muss, habe ich sie sehr gern. Meinen letzten Freund hatte sie nach kurzer Zeit erfolgreich in die Flucht geschlagen. Drei Tage lang musste er sich ihren Verhören aussetzen. Sie wollte alles ganz genau von ihm wissen. Am Ende sagte sie mir zum Trost: „Der Kerl war doch so ein Langweiler. Er hatte nichts, was ihn auch nur annähernd zu einem interessanten Mann gemacht hätte. Du kannst mir dankbar sein.“
Oh ja, das war ich. Denn nun begriff ich endlich, dass ich meinen eigenen Weg gehen musste. Meine Tante war einfach zu präsent in meinem Leben. Das musste aufhören! Ich brauchte mehr Raum für meine eigenen Visionen. Daher bin ich jetzt hier. Nach meiner Ausbildung werde ich eine eigene Praxis als Heilpraktikerin eröffnen, was meiner Tante natürlich ein Dorn im Auge sein wird, da sie mit Homöopathie absolut nichts am Hut hat.
Die Ausflüge mit Clark sind mir schon zu einer lieben Gewohnheit geworden. So oft es meine Zeit erlaubt, hole ich ihn vom Hof ab und laufe mit ihm durch den angrenzenden kleinen Wald. Viel Bewaldung gibt es hier in Irland leider nicht. Aber Mr. Barclays Vater hatte vor vielen Jahren diese kleine Fläche aufforsten lassen. Dadurch wurde Rosefield noch viel schöner. Das üppige Grün und das fruchtbare Land der Barclays unweit der Küste sind für alle Touristen, die sich in diese Gegend verirren, ein Magnet.
Clark und ich liegen im Gras am Ufer des Sees und genießen die Sonne. Ich habe meine Schulbücher mitgenommen und versuche, ein wenig zu lernen. Clark hat seinen großen schwarzen Kopf auf meinen Schoß gelegt, sodass ich mein Buch an seinen Kopf lehnen muss, um darin lesen zu können. Doch das Gemüt dieses Hundes ist das eines Teddybären und vertrauensvoll lässt er es inzwischen sogar zu, dass ich seine Zunge auf Belag untersuche oder seinen Körper nach seinen Lymphknoten abtaste. Mir würde nie einfallen, ihn für meine Studienzwecke zu missbrauchen, aber zur besseren Veranschaulichung meines Lernstoffes, schadet ein kleines Studium am lebenden Objekt doch nicht weiter.
Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich schließe die Augen, um ihre wohlige Wärme über meine Haut aufzunehmen. Ich höre die Bienen im Gras summen und das leise Plätschern des Sees. Seit ein paar Tagen schon scheint die Sonne ununterbrochen. Von mir aus könnte das Wetter ewig so bleiben. Dessen Unbeständigkeit in diesen Breitengraden bin ich zwar seit meiner Kindheit nicht anders gewohnt, allerdings habe
Weitere Kostenlose Bücher