Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
Paste. Ich rümpfe die Nase. Dieses Rezept stammt von meiner Tante.
Als ich zurück bin, wartet George bereits bei Charly auf mich.
„Was hast du da mitgebracht?“
Ich hatte die Paste in eine Schüssel gegeben, die ich nun vor Charlys Box auf den Boden stelle.
George schaut kritisch in die Schale und hält sich die Nase zu.
„Hm, das riecht ja appetitlich. Was ist das für eine Pampe?“
„Eigentlich sind es nur ein paar Kräuter und die Essenz von zwei Heilpilzen. Einer dieser Pilze ist der Phallus impudicus, auch Stinkmorchel genannt. Ich habe zwar nur eine verdünnte Lösung dazugeben, aber der übermäßige Duft lässt sich leider nicht vermeiden.“
„Übermäßiger Duft? Du kannst ruhig von einem grauenhaften Gestank sprechen. Wozu ist denn das nötig?“, fragt George mich mit verzerrtem Gesicht.
„Eigentlich ist die Stinkmorchel ein Heilpilz für Gichtkranke, aber meine Tante fand heraus, dass er sich wunderbar als Entzündungshemmer einsetzen lässt, wenn man ihn auf bestimmte Weise verarbeitet. Ich habe ein paar ihrer Tinkturen aus Heilpflanzen zu Hause. Diese gehört dazu. Keine Angst, der Geruch verfliegt mit der Zeit.“
„Bist du dir sicher? Vielleicht sollten wir den Stall evakuieren, damit die anderen Pferde in ihren Boxen nicht tot umfallen.“
Ich reagiere nicht auf Georges Bemerkung und beginne mit meiner Arbeit. Erst verteile ich die dickflüssige Paste auf einem Leinentuch. Dann löse ich die selbst gebastelte Schiene aus Ästen von Charlys Bein. Es ist geschwollen und plötzlich wird mir klar, dass ich vor allem anderen erst einmal den Knochen richten muss. Mein Gott, traue ich mir das zu? Und was ist, wenn Charly vor Schmerz wild um sich schlägt? Es könnte gefährlich für mich werden. Trotzdem, ich muss es wagen. Sanft lege ich meine Hände auf Charlys Bein und hoffe, diese Maßnahme könnte ihm ein weiteres Mal den Schmerz nehmen. Schließlich hatte es bereits funktioniert, als wir Charly auf den Hänger bekommen wollten. Es spricht also nichts dagegen, es noch einmal zu versuchen. Charly lässt den Kopf hängen, aber seine Ohren richten sich jetzt auf. Es hat den Anschein, als würde ihm mein Handauflegen eine Erleichterung verschaffen. Kann das wirklich sein? Nach zwanzig Minuten richte ich mich auf und binde Charly an. Ich ziehe den Strick so kurz wie möglich zu seiner und meiner Sicherheit.
„Was hast du nun vor?“, fragt George angespannt. Ihm muss wohl klar sein, was ich jetzt versuchen werde. „Willst du ihm nicht noch die Hinterbeine festbinden? Er könnte dich niedertreten, wenn du nicht aufpasst.“
George hat Recht. Ich sollte ihm so wenig Spielraum lassen wie möglich, für den Fall, dass er besinnungslos um sich schlägt vor Schmerz. Aber das erreiche ich nur, wenn ich ihm seine gesunden Beine festbinde.
„Reich mir bitte ein paar Seile, George, und hilf mir, seine Beine zu fesseln. “
Als wir Charly wie eine Ladung Frachtgut, die nicht verrutschen darf, festgeschnürt haben, beuge ich mich wieder zu seinem kranken Bein hinunter. Wenn dies erfolgreich werden soll, dann muss es schnell gehen. Auf keinen Fall soll sich Charly dabei zu sehr quälen. Ich muss den Knochen mit einem einzigen Ruck in die richtige Position bringen.
„Viel Glück!“, wünscht George mir und dreht sich mit dem Gesicht zur anderen Wand. Weich-Ei! Wahrscheinlich würde er schon das Bewusstsein verlieren, wenn sein Nagelbett entzündet wäre. Männer halten einfach nichts aus – aber immer den Helden vorspielen.
Ich umfasse das Bein des Pferdes und schaue mir die Schräglage des Knochens genau an. Dann positioniere ich meine Hände links und rechts vom Bruch. Ich atme noch einmal tief durch und drücke kraftvoll gegen den überstehenden Knochen. Charly hebt verschreckt den Kopf. Doch bevor er auch nur einen Laut von sich geben kann, ist der Knochen wieder in der richtigen Position. Das war ja leichter, als ich dachte. Charly scheint kaum einen Schmerz dabei verspürt zu haben. Kaum zu glauben. George steht immer noch mit dem Rücken zur Box, während ich bereits das benetzte Leinentuch um das Bein wickle.
„Du kannst dich ruhig wieder umdrehen, George. Es ist schon alles passiert.“
Mit erstaunter Miene wendet er seinen Kopf herum.
„Was? Aber Charly war ganz ruhig. Wie hast du das nur hingekriegt? Das gibt’s doch gar nicht.“
Ich lächle befreit und lege glücklich ein paar neue Schienen an. Jetzt wird alles wieder gut. Ich bin mir sicher, dass Charly es schaffen
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