Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
Besuch von seiner Verlobten. Guten Tag, Miss Robertson.“
Mrs. Barclay schwingt das andere Ende ihres Seidentuchs über ihre Schulter und tippelt kerzengerade wie ein Ausrufezeichen davon. Fragend sehe ich ihr nach. Mr. Barclay ist verlobt? Aber seit wann denn das? Das ist absolut unmöglich. Davon hätte ich ganz sicher gewusst. Solche Neuigkeiten sprechen sich auf dem Hof herum wie ein Virus. Will sie mich nur verunsichern? Hegt sie etwa den Verdacht, ich könnte es auf ihren Sohn abgesehen haben? Hab ich das denn?
In diesem Augenblick verlässt eine junge Blondine sein Krankenzimmer. Wow! Ein Klumpen voller Beklommenheit häuft sich in meinem Magen an. Wenn das seine Verlobte ist, dann versteh ich aber nicht, wie er sie bis heute geheim halten konnte. Doch erst, als sie sich nähert, erkenne ich sie. Es ist Veronica! Mein Gott, ist die verkleidet! Wo hat sie denn den Zwirn her? Ich verstecke mich hinter einem Pfeiler und warte, bis sie an mir vorbeigelaufen ist. Ist sie etwa die dubiose Verlobte David Barclays? Ich habe das Gefühl, ein Freiluftballon zu sein, dessen Heißluft langsam knapp wird. Meine Energie verflüchtigt sich und meine Loyalität gegenüber Mr. Barclay verwandelt sich in Enttäuschung. Soll er doch heiraten, wen er will. Was geht’s mich an. Trotzdem möchte ich gerne wissen, weshalb mich diese Kenntnis trifft wie ein vergifteter Pfeil. Was wollte ich hier eigentlich? Ich muss sofort raus! Entschlossen leite ich ein Wendemanöver ein und gehe den Flur wieder zurück zum Ausgang. Ich wollte mich ohnehin noch ein wenig mit meinen Büchern beschäftigen. Nächste Woche steht eine kleine Zwischenprüfung an, für die ich noch nichts gelernt habe. Heute scheint mir ein guter Tag zum Lernen …
Unangebrachte Schadenfreude
Es ist bereits dunkel und mein Feierabend ist seit Langem überfällig. Trotzdem stehe ich noch im Stall und starre seit gut einer Stunde geistesabwesend auf Charly. Seinem Bein geht es schon viel besser und der Tierarzt, der letzte Woche einen kontrollierenden Blick auf seine Verletzung warf, war erstaunt darüber, dass meine abwegigen Methoden zu einer Verbesserung seines Zustandes geführt haben. Begeistert steckte er mir seine Visitenkarte zu und bot mir an, ihm zukünftig bei seiner Arbeit zu assistieren. Er meinte, dass man seine Arbeit gut mit meiner kombinieren könne, und war meinen Praktiken gegenüber ausgesprochen aufgeschlossen. Veronica, die anfänglich während der Untersuchungen des Tierarztes dabei war, verkrümelte sich verbittert, als sie bemerkte, dass meine Heilaktionen vom Fachmann durchaus gewürdigt wurden. Ich bin mir sicher, dass sie sich das irgendwie anders vorgestellt hatte.
Die Nachricht, dass sie David Barclays Verlobte sei, hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Veronica und ich waren noch niemals gute Freundinnen, was den Umstand, sie als zukünftige Mrs. Barclay hinnehmen zu müssen, noch unerträglicher für mich macht. Als wir in Edinburgh zusammen im gleichen Krankenhaus arbeiteten, war ich einfach die Bessere. Ich habe gute Arbeit gemacht und meinen Job ernst genommen. Veronica dagegen entschied sich für diese Ausbildung nur aus einem Grund: Sie brauchte eine gute Versorgung für ein sorgenfreies Leben. Daher kam ihr Oberarzt Dr. Brown ganz recht. Veronica, die diese Affäre eigentlich in eine Altersabsicherung umfunktionieren wollte, hörte die Hochzeitsglocken schon läuten. Dann passierte aber etwas, was nicht nur uns zu erbitterten Feindinnen werden ließ, sondern auch ihrer Affäre mit Dr. Brown ein Ende setzte. Ihr Desinteresse für ihre medizinische Ausbildung wurde ihr zum Verhängnis. Denn sie verwechselte unglücklicherweise ein Medikament mit einem anderen. Zum Glück konnte ich damals das Schlimmste verhindern, weil ich zufällig kurz danach ins Zimmer dieses Patienten kam und die falsch verabreichte Arznei sofort erkannte. Dass der Patient die Pillen noch nicht eingenommen hatte, war seine Rettung. Denn sie hätten ihm aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gekostet. Ich gab dem Patienten die richtigen Tabletten und ließ die falschen in meiner Tasche verschwinden. Eigentlich wollte ich den Fall nicht an die große Glocke hängen, doch der Patient beschwerte sich bei der Klinikleitung. Veronica wurde abgemahnt und Dr. Brown zog einen Schlussstrich unter seinen kleinen Fehltritt mit ihr. Später machte sie mich für ihr Unheil verantwortlich, statt mir dankbar zu sein, dass ich ihr den Hintern gerettet
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