Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
hatte.
Meine Gedanken schweifen so weit ab, dass ich mich zu Tode erschrecke, als mich eine Hand auf meiner Schulter in die Gegenwart zurückholt.
„Mr. Barclay!“, platzt es aus mir heraus. „Aber wann wurden Sie aus dem Krankenhaus entlassen?“
Mit einem flüchtigen Lächeln sieht er mich an und setzt sich neben mich auf den Strohballen. Schweigsame Momente habe ich schon immer als äußerst unangenehm empfunden. In derartigen Situationen fühle ich mich unmittelbar aufgefordert, auf der Stelle fließbandartig zu reden.
„Ich wusste ja gar nicht, dass Sie schon wieder hier sind, Mr. Barclay. Also, wenn ich das gewusst hätte. Na ja, ich freu mich wirklich, dass es Ihnen wieder besser geht. Sie wissen ja gar nicht, was Sie uns für einen Schreck eingejagt haben. Aber es ist ja alles noch einmal gut gegangen. Charly geht es auch schon viel besser. Wirklich! Sehen Sie doch selbst. Der Tierarzt, der letzte Woche hier war, hat es bestätigt. Das Bein ist auf dem Wege der Besserung. Es tut mir leid, dass ich mich gegen die Entscheidung von Mrs. Stephens gestellt habe. Aber hier ging es schließlich um Charlys Leben. Hätte ich es denn wirklich zulassen sollen, dass sie ihn einfach erschießen? Mr. Barclay, Sie müssen mir glauben, dass ich nur das Beste für Charly wollte. Ich …“
„Meine Güte, Miss Robertson, Sie reden ja, ohne Luft zu holen. Ich bin bereits über alles informiert. Und ich denke nicht, dass wir darüber noch zu reden brauchen.“
Nicht? Aber ich dachte ...
„Charly geht es besser, und nur das zählt“, fügt er noch hinzu.
Seine Hand ergreift meine und umfasst sie fest. Es kribbelt in meinem Bauch, als sich seine warmen Finger auf meinen Handrücken legen.
„Eigentlich bin ich hier, um mich bei Ihnen zu bedanken, Miss Robertson, für Ihre beherzte und kompetente Hilfe.“
„Aber nicht doch, Mr. Barclay, das hätte ich für jeden getan.“
„Ja, da bin ich mir sicher. Als Krankenschwester sind Sie eine Koryphäe. Sie haben mich beeindruckt.“
„Danke.“ Verlegen spiele ich mit einem Krümel auf meinem Oberschenkel.
„Als Sie Ihre Hand auf mein verstauchtes Bein legten, hätte ich schwören können, für einen Moment keinen Schmerz mehr gefühlt zu haben. Es war sonderbar.“
Ich schnipse den Krümel von der Hose und erhebe mich schlagartig vom Strohballen, auf dem wir bis eben gemeinsam saßen. David Barclay sieht mich irritiert an. Jetzt ist es noch einmal passiert. Meine Hände haben etwas bei ihm bewirkt. Es funktioniert. Einfach von ganz allein. Ohne dass ich es selbst merke. Das ist beunruhigend. Wer weiß, was ich alles vollbringe, ohne die geringste Kenntnis davon zu haben. Ich schaue mir meine Hände an und suche nach einer Gebrauchsanleitung. Wie benutzt man die Dinger nur etwas kontrollierter?
„Ich sagte ja, dass ich gelegentlich mit schwarzer Magie arbeite, Mr. Barclay. Behalten Sie es aber für sich. Wir wollen den anderen doch keine Angst einjagen.“
Zwar lächle ich Mr. Barclay an, allerdings ist mir danach überhaupt nicht zumute. Ich mache mir selber Angst.
Lachend erhebt er sich auch und scheint meine Bemerkung für einen Scherz zu halten. Dabei war es mir bitterernst.
„Versprochen, ich werde es niemandem verraten. Warum haben Sie mich eigentlich nicht im Krankenhaus besucht? Ich hatte fest mit Ihnen gerechnet.“
Ein Kloß übermächtiger Größe plumpst von meinem Hals in den Magen. Mir fällt die unschöne Begegnung mit seiner Mutter wieder ein und Veronica, die vermutlich in Mr. Barclay eine bequeme Lebensabsicherung vermutet.
„Ich war da! Aber dann bin ich Ihrer Mutter begegnet. Sie bat mich, das Krankenhaus zu verlassen, weil Sie gerade Besuch hätten und meine Gesellschaft nicht wünschten.“
Mr. Barclay schüttelt lächelnd mit dem Kopf und springt plötzlich mit einem Satz auf einen Strohballen. Er winkt mich heran und klettert ein paar weitere Ballen empor.
„Kommen Sie, Miss Robertson!“
Wie? Was soll ich denn da oben?
„Nun machen Sie schon. Ich will Ihnen etwas demonstrieren.“
Mit einem mulmigen Gefühl arbeite ich mich sachte auf den wackelnden Ballen zu David Barclay nach oben. Als wir nebeneinander auf dem obersten Strohballen stehen, glaube ich für einen Augenblick, dem Tode geweiht zu sein. Denn alles droht unter uns zusammenzubrechen. Was für eine wahnwitzige Idee!
„Was machen wir hier?“, möchte ich wissen.
„Vertrauen Sie mir, Miss Robertson?“
Nein! Ich vertraue nur mir selbst. Vor allem, wenn
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