Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
wird.
Die kommenden Tage wechsle ich regelmäßig die Verbände und kontrolliere den Heilungsprozess des Beines. Mit großer Freude stelle ich fest, dass die Entzündung allmählich zurückgeht und Charly mit jedem neuen Tag an Kraft gewinnt und an Appetit. Meine mitgebrachten Äpfel verschlingt er so selig, wie ich sonst eine Tafel Schokolade. Veronica scheint es nicht mehr weiter zu interessieren, wie es Charly ergeht. Trotzig geht sie mir, so oft es geht, aus dem Weg. Ich gehe davon aus, dass ihr der gute Fortschritt, den meine Behandlungsweise bewirkt, nicht in ihren Plan passt.
Für den heutigen Tag habe ich einen Besuch bei Mr. Barclay im Krankenhaus eingeplant. Ich habe über Linda erfahren, dass es ihm schon wieder recht gut geht und er sich regelmäßig nach mir und seinem Pferd erkundigt hat. Offensichtlich wurde er bereits ausführlich über meine Unternehmung informiert. Falls meine Entscheidung, sein Pferd auf eigene Faust heilen zu wollen, bei ihm keinen Anklang findet, was ich stark annehmen muss, dann werde ich mich auf eine gepflegte Auseinandersetzung mit ihm einstellen müssen. Aber das ist es mir wert.
Auf dem Parkplatz vor der Klinik fällt mir der Wagen von Mrs. Barclay auf, David Barclays Mutter. Seit der ersten Begegnung im Haus, gab es glücklicherweise keine zweite mehr. Jedenfalls keine direkte. Sie scheint sich weitestgehend aus allem, was auf dem Hof passiert, herauszuhalten. Ihre Verantwortlichkeit scheint darin zu bestehen, dem Hauspersonal das Leben schwer zu machen. Das weiß ich aus erster Quelle von Linda, die als Küchenmädchen bei den Barclays arbeitet. Fast täglich beschwert sich Mrs. Barclay über Kleinigkeiten. Sie muss ein wahrer Hausdrachen sein.
Ich laufe den langen Krankenhausflur entlang und suche nach der Zimmernummer einhundertdrei. Mir graut es vor der Auseinandersetzung, die David Barclay und ich gleich miteinander haben werden. Ich muss davon ausgehen, dass ihm mein eigenmächtiges Handeln in Sachen Charly nicht schmecken wird.
Eine Schwester wird auf mich aufmerksam.
„Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?“, fragt sie mich freundlich.
„Oh, ich suche das Zimmer einhundertdrei. Das ist doch Mr. Barclays Zimmer?“
„Ja, das ist richtig. Es ist das letzte Zimmer am Ende des Ganges.“
Sie zeigt in die Richtung, aus der Mrs. Barclay gerade auf uns zukommt.
„Vielen Dank“, sage ich noch und setze langsam meinen Weg fort. Hoffentlich erkennt sie mich nicht. Ich habe nicht die geringste Lust auf eine Unterhaltung mit ihr.
„Ach, wen haben wir denn da?“, röhrt sie durch den gesamten Flur.
Ich drehe mich um, da ich hoffe, sie würde vielleicht jemand anderen meinen können.
„Meine liebe Miss Robertson, Ihre Bescheidenheit in allen Ehren, aber wen könnte ich sonst meinen? Ich habe ja allerhand über Sie gehört.“
„So, dann wissen Sie es also auch schon?“, frage ich unsicher.
„Aber, Miss Robertson, der ganze Hof spricht bald von nichts anderem mehr. Ich finde es allerdings ein wenig vermessen von Ihnen, eine derart essentielle Angelegenheit über den Kopf von Mrs. Stephens hinweg zu entscheiden. Sie hat mich über ihre Dickköpfigkeit informiert. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie mit ihren kleinen grotesken Methoden einen Beinbruch heilen. Ich habe schon mit dem Tierarzt gesprochen. Er wird in den kommenden Tagen mal ein Auge auf ihr eigenmächtiges Werk legen. Ich bin mir sicher, dass sich ihm die Nackenhaare kräuseln werden.“
Von mir aus kann sie Robert Redford persönlich auf Charly ansetzen. Sein Bein ist in dieser kurzen Zeit bereits auf dem Wege der Besserung. Ich glaube kaum, dass ein Tierarzt das anders sehen wird.
Doch ich verkneife mir eine Antwort auf ihre Äußerungen, da mir die Mahnungen ihres Sohnes wieder in Erinnerung kommen. Der Klügere gibt nach. Jetzt, wo Mr. Barclay im Krankenhaus liegt, hält sie das Zepter in der Hand und hat sehr wohl die Macht, mir das Leben schwer zu machen. Ich muss mich zusammenreißen.
„Ich verstehe Ihre Bedenken, Mrs. Barclay. Aber ich konnte es nicht zulassen, dass Charly erschossen wird.“
„Merken Sie sich für die Zukunft eines, Miss Robertson. Sollten Sie sich jemals wieder über die Entscheidungen von Mrs. Stephens oder die meines Sohnes hinwegsetzen, dann werde ich höchstpersönlich für Ihre Entlassung sorgen. Und jetzt rate ich Ihnen, auf der Stelle zu gehen. Ich glaube kaum, dass mein Sohn Wert auf Ihre Gesellschaft legt. Im Übrigen hat er gerade
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