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Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)

Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)

Titel: Liebe braucht keine Hexerei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Richling
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harten Umgang mit mir zu. Unter normalen Umständen hätte ich ihm einen Tritt vors Schienenbein verpasst für seine groben Handgreiflichkeiten.
    Seine Augen reichern sich mit Flüssigkeit an und sein Kopf sinkt langsam auf meine Schulter. Völlig entgeistert stehe ich da und versuche, diese neue Konstellation der Sachlage zu beurteilen. War ich soeben noch der Prügelknabe, bin ich nun zum Seelenklempner emporgestiegen. Sofort stelle ich mich meiner neuen Aufgabe und beginne damit, eine Hand tröstend über seinen Kopf streichen zu lassen. Ich spüre seinen warmen Atem an meinem Hals und seine Tränen auf meine Haut tropfen. Es muss wahrlich schwer für ihn sein, mit der Angst klarzukommen, seine Mutter vielleicht für immer zu verlieren. Sie ist schließlich das einzige Familienmitglied, das ihm nach dem Tod seines Vaters noch geblieben ist. Ich wünschte, ich könnte etwas tun.
    „Ich bin mir sicher, dass Ihre Mutter wieder gesund werden wird.“
    Mr. Barclay löst sich von mir und wischt mit einer Handbewegung seine Tränen aus dem Gesicht.
    „Da haben Sie aber mehr Zuversicht als die Ärzte“, bemerkt er zweiflerisch. „Gehen Sie jetzt bitte, Miss Robertson. Ich will Sie hier nicht mehr sehen. Sie können sich morgen Ihre Papiere bei mir abholen.“
    „Wie bitte?! Das ist doch nicht Ihr Ernst?! Sie können mich doch nicht für den Zustand Ihrer Mutter verantwortlich machen! Selbst wenn ich auf der Stelle zu ihr gelaufen wäre, wäre ihre Verletzung nicht minder gefährlich gewesen. Ich hätte auch dann nichts ausrichten können. Warum entlassen Sie nicht sämtliche Mitarbeiter? Es gab nicht einen, der sich nicht über diesen Sturz lustig gemacht hat. Keiner konnte ahnen, wie es tatsächlich um Ihre Mutter steht. Ich weiß sehr wohl, dass ich mich falsch verhalten habe, und ich schäme mich zutiefst dafür, aber Sie können auch niemandem seine Antipartie Ihrer Mutter gegenüber verübeln. Sie tut ja auch alles dafür, sich andauernd unbeliebt zu machen.“
    „ R A U S jetzt!!! “, schreit er mit einem Mal übermächtig und zeigt mit seinem Zeigefinger Richtung Tür.
    Wiederholt zucke ich flüchtig zusammen. Doch es bedarf keiner weiteren Aufforderung von ihm, sein Büro zu verlassen. Das war deutlich genug. Bevor ich jedoch die Türklinke herunterdrücke, wende ich mich Mr. Barclay ein letztes Mal zu.
    „Sie können mir glauben, Mr. Barclay, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dass Ihre Mutter wieder gesund wird.“
    Stumm öffne ich die Tür und gehe.
     

 
Wie durch ein Wunder
     
     
    Als ich meiner Tante am Abend niedergeschlagen von dem neuerlichen Vorfall berichtete, hatte sie nichts Besseres zu tun, als mir ebenfalls ein schlechtes Gewissen einzureden. Das konnte ich gut gebrauchen. Sie versteht es wirklich, einen aufzubauen. Nur galt ihr Vorwurf nicht meiner Passivität, als ich Mrs. Barclay im Pferdehaufen liegen sah. Denn sie war ebenso wie ich der Meinung, dass ich unmöglich wissen konnte, was geschehen war. Sondern sie tadelte mich, dass ich so wenig Rückgrat besaß, mich gegen Mr. Barclays Äußerungen zu wehren. Ich war selbst überrascht, wie viel Bedeutung ich seinen Worten beimaß und wie sehr meine eigene Sicht der Dinge in den Hintergrund geriet. In David Barclay habe ich offensichtlich meinen Meister gefunden, wenn es um Auseinandersetzungen geht. Nur dass er mit unfairen Mitteln kämpft. Er brüllt so laut wie ein Löwe, sodass man automatisch das Gefühl bekommt, im Unrecht zu sein. Trotzdem. Mein schlechtes Gewissen ihm und seiner Mutter gegenüber ist so groß, dass ich fortwährend überlege, wie ich das wieder gutmachen kann. Falls das überhaupt noch geht. Die Stille in meiner Wohnung wird mir zur Qual. Es gibt für mich nur noch einen Gedanken: Wie kann ich Mrs. Barclay helfen?
    Ich entschließe mich, noch am selben Abend zu ihr in die Klinik zu fahren. Da sie auf der Intensivstation liegt, muss ich davon ausgehen, dass man mir den Zutritt zu ihr verweigern wird. Schließlich bin ich weder mit ihr verwandt noch verschwägert. Entschlossen gebe ich mich als ihre Tochter aus und erhalte tatsächlich auf diese Art freien Zugang zu ihr. Eingeschnürt in einen Kittel und mit Häubchen auf dem Kopf setze ich mich auf einen Stuhl neben sie ans Bett. Meine Hand streicht durch ihr immer noch gut frisiertes Haar und verweilt nun auf ihrer Stirn. Mit einem Mal öffnet sie die Augen und sieht mich mit einem glasigen Blick aus rot unterlaufenden Augen an.
    „Was machen Sie

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