Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
hier?“, fragt sie mit kraftloser Stimme.
„Ich möchte bei Ihnen sein“, antworte ich und drücke nun fest ihre Hand. „Sie werden wieder gesund, Mrs. Barclay, das weiß ich. Und ich bin hier, um Ihnen das zu sagen.“
Ein betrübtes Lächeln überzieht ihr Gesicht und ich fühle, dass sie alle Hoffnung längst verloren hat. Doch als ich meine Hände auf ihren Kopf lege, spüre ich ganz genau, dass es noch nicht zu spät ist. Ich weiß nicht, woher ich diese plötzliche Zuversicht nehme, aber irgendetwas in mir ist sich absolut sicher, dass alles gut wird. Eine Stunde halte ich meine Hände sanft über ihrem Kopf. Einige Schwestern und Ärzte schauen immer wieder nacheinander argwöhnisch zu mir und meiner ungewöhnlichen Aktion, doch keiner hindert mich an meinem Handeln. Warum auch? Sie wissen, wie schlecht es um Mrs. Barclay steht und dass sie im Grunde nur ein Wunder retten kann. Gegen Mitternacht beschließe ich zu gehen. Es wundert mich nicht, dass niemand meine überzogene Besuchszeit beanstandet hat. Müssen sie doch davon ausgehen, dass Mrs. Barclay diese Nacht nicht übersteht. Wie könnte man der Tochter verweigern, die letzten Stunden mit ihrer Mutter gemeinsam verbringen zu wollen? Ein letztes Mal streichle ich Mrs. Barclay über ihren Kopf. Sie öffnet wieder ihre Augen und spricht mit mir.
„Wollen Sie schon gehen?“, fragt sie mich ängstlich. Für einen kurzen Augenblick sammelt sich Wasser in meinen Augen, das ich nur mit Müh und Not unter Kontrolle bringe. Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit, dass Mrs. Barclay Wert auf meine Gesellschaft legt. Daher setze ich mich nochmals auf meinen Stuhl und ziehe ihn wieder näher ans Bett heran.
„Nein, ich bleibe bei Ihnen, solange Sie mich brauchen.“
Mit beiden Händen umschließe ich fest ihre Hand und lächle.
„Ich habe Angst. Ich will noch nicht sterben.“
Beruhigend lege ich ihr wieder meine Hand auf ihre Stirn.
„Sie brauchen keine Angst zu haben, Mrs. Barclay. Es wird Ihnen schon bald wieder besser gehen. Das verspreche ich Ihnen.“
Mit einem warmen Lächeln versuche ich, meine Worte zu bekräftigen. Kraftlos schließt sie wieder die Augen, doch ihre Hand drückt leicht die meine. Ich versuche, es mir auf meinem Stuhl gemütlich zu machen, und mit der Zeit schlafe ich im Sitzen ein.
Am folgenden Morgen werde ich durch die Stationsschwester geweckt.
„Miss Barclay“, spricht sie mich an. „so werden Sie doch wach?“
Alarmiert schrecke ich hoch.
„Wie geht es ihr? Was ist passiert?“, frage ich voller Entsetzen.
„Es geht ihr gut, Miss Barclay. Sie hat es überstanden. Sie sollten jetzt nach Hause fahren und sich richtig ausschlafen. Ihr Bruder ist gerade gekommen, um sie abzulösen.“
„Was? Wer?“
Verstört blicke ich zu der Stelle, an der Mrs. Barclays Bett zuvor noch stand.
„Aber wo ist sie?“, frage ich angsterfüllt.
„Keine Sorge, wir haben sie in ein Einzelzimmer verlegt. Wie gesagt, es geht ihr wieder gut. Glauben Sie mir, Miss Barclay, Sie können vollkommen unbesorgt sein. Anscheinend hat Ihrer Mutter Ihre Gesellschaft sehr gut getan. Es grenzt fast an ein Wunder, dass es ihr wieder besser geht. In ein paar Tagen werden wir sie sicher entlassen können. Wer weiß, vielleicht haben Ihre Hände doch etwas bewirkt. Die ganze Station spricht von nichts anderem. Einige Patienten haben schon nach Ihnen gefragt. Sie möchten Sie und Ihre Wunderhände gerne kennenlernen. Nichts für ungut, Miss Barclay. So schnell entstehen Gerüchte.“ Sie klopft mir auf die Schulter und geht.
Mit hochgezogenen Augenbrauen blicke ich kritisch auf meine Hände. Das kann unmöglich sein. Alles nur Zufall! Purer Zufall! Müde und schläfrig verlasse ich die Intensivstation und begebe mich zum Ausgang. Da Mr. Barclay offensichtlich gerade bei seiner Mutter ist, kann ich nun getrost auf den Hof fahren und meine restlichen Sachen holen, ohne Gefahr zu laufen, ihm zu begegnen.
Veronica Stephens Schadenfreude kennt wirklich keine Grenzen, als sie mich sieht.
„Ich habe ja gewusst, dass du hier nur ein kurzes Gastspiel haben wirst, Jennifer. Ich glaube nicht, dass ich dich vermissen werde.“
„Danke für dein Mitgefühl“, erschöpft belasse ich es bei dieser einen Bemerkung. Die Ereignisse der letzten Stunden waren einfach zu kräftezehrend, als dass ich schon wieder einen Streit mit Veronica ausfechten könnte. Der Konflikt mit David Barclay steckt mir noch in den Knochen und betrübt mich mehr, als mir
Weitere Kostenlose Bücher