Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
unterschätze. Von Jacob weiß ich, dass ihm seine Verantwortung von Zeit zu Zeit einfach zu viel wird. Er braucht einen Vertrauten an seiner Seite. Jemanden, dem er Entscheidungsgewalt geben und auf den er sich voll und ganz verlassen kann. Ich sehe ein, dass er sich unmöglich um alles alleine kümmern kann. Doch Veronica als rechte Hand (geschweige denn als Braut) zu erwählen, erscheint mir ziemlich leichtfertig.
„Vielleicht haben Sie Recht und ich kann tatsächlich nicht abschätzen, was es heißt, diesen Betrieb zu führen. Und möglicherweise beurteile ich Sie falsch. Aber ich bin doch wahrhaft erstaunt darüber, in welch rasanter Geschwindigkeit mir gestern die Kündigung ausgesprochen wurde und mit wie viel Rücksichtnahme Veronica gegenüber verfahren wird. Mag ja sein, dass sie in Ihrer Rangordnung einen höheren Platz einnimmt als ich, trotzdem sollten Sie Ihre Scheuklappen mal abnehmen. Dann würde Ihnen nämlich auffallen, dass Veronica mit gezinkten Karten spielt. Wahrscheinlich aber wollen Sie das gar nicht sehen und lieber widerstandslos in Ihr Unglück laufen.“
In diesem Augenblick wird die Tür von außen geöffnet und mein Blick erstarrt, als ich Veronica auf der Türschwelle sehe.
„David, wir sollten noch mal in aller Ruhe reden. Allein.“
Was für ein überflüssiger Satz. Charly ist auf dem Weg zu seinem Henker und diese Doofnuss will reden.
„Ich hatte nicht die Absicht zu stören, ich sehe du bist in einer Besprechung.“
Ja, richtig. Und die Besprechung bin ich. Also musst du leider noch warten, auch wenn du die Verlobte bist. Besprechungen haben Vorrang.
„Nein, nein, komm ruhig rein. Wir waren gerade fertig. Nicht wahr, Miss Robertson?“, fragt er mich und sieht mich auffordernd an, den Raum zu verlassen. Empört sehe ich zwischen den beiden hin und her und versuche, meiner sich auftürmenden Wut Herr zu werden. Mit einem Mal scheint für ihn alles vergessen: Charly, unser Gespräch und ich. Das finde ich ungeheuerlich.
„Oh nein! Wir sind ganz und gar nicht fertig“, vergreife ich mich im Ton. Veronica kann ruhig mitbekommen, was ich jetzt noch zu sagen habe. „Bevor ich gehe, sollten Sie noch wissen, dass ich beabsichtige, Charly persönlich zurückzuholen. Oder glauben Sie etwa im Ernst, dass Veronica auch nur einen Finger für Charly rühren würde?“
Herausfordernd blitze ich Veronica an. Doch die verzieht keine Miene. Fast könnte ich einen Hauch von einem Lächeln in ihrem Gesicht vermuten.
„Mir gehen Ihre Entscheidungen jedenfalls nicht weit genug“, fahre ich fort. „Vertrauen habe ich lediglich in meine eigenen. Und mein Urteilsvermögen ist ganz gewiss nicht getrübt. Vielleicht sollten Sie Ihr eigenes mal einem Check unterziehen. Das kann nämlich ganz leicht aus dem Ruder geraten, wenn die Hormone verrücktspielen. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen, nicht wahr, Mr. Barclay?“
So, das muss vorerst reichen, um meinem Unmut Luft zu machen. Blitzschnell greife ich nach dem Schreiben, auf dem Charlys Verkauf dokumentiert ist, und kehre Mr. Barclay den Rücken zu. Ich bin dann weg! Wie ein Krieger ohne Kriegsbemalung marschiere ich aus dem Raum und verlasse das Haus auf direktem Weg zu meinem Wagen. Doch plötzlich fällt mir siedend heiß ein, dass ich mit meiner Rostmühle keinen Pferdetransporter ziehen kann. Nachdenklich stehe ich auf dem Parkplatz und suche verzweifelt nach einer Lösung, als ich mit einem Mal heftig am Arm gepackt werde.
„Was erlauben Sie sich eigentlich, Miss Robertson?“, fragt David Barclay, der mir zum Wagen gefolgt ist, merklich beherrscht. Sein Ton ist diesmal, gemessen an seiner Wut, erstaunlich milde.
„Ich weiß ja nicht, was Ihnen derzeit wichtiger ist, Mr. Barclay. Mir liegt das Schicksal von Charly jedenfalls sehr am Herzen. Und daher setze ich Prioritäten. Sie scheinen Veronica den Vorrang vor allem zu geben. Das ist ja auch Ihr gutes Recht. Ich mische mich bestimmt nicht in Ihr Privatleben ein, auch wenn mir da einiges absolut unverständlich erscheint. Aber finden Sie es richtig, unser Gespräch einfach für beendet zu erklären, nur weil Ihre … Ihre ... weil plötzlich jemand außerplanmäßig auf der Bildfläche erscheint?“
Schmunzelnd hält mir Mr. Barclay einen Autoschlüssel hin.
„Hier, nehmen Sie meinen Wagen. Und über alles andere unterhalten wir uns noch.“
Ich glaube nicht, dass ich darauf gesteigerten Wert lege.
„Danke“, sage ich nur flüchtig und nehme den Schlüssel
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