Liebe bringt die höchsten Zinsen
Geld hatte er auch - aber lediglich für Alkohol. Für Mami gab's nur Prügel."
„Er hat sie geschlagen?"
„...sogar in meiner Gegenwart. Da hab ich mir geschworen: Mit mir macht das keiner."
Sie deutete auf die Kampfsportpokale. „Ich hatte hart trainiert und brachte es bis zum schwarzen Gürtel - und zu den Pokalen. An mich hat sich kein Kerl rangewagt."
Stefanie bat: „Hast du noch einen Kaffee?"
„Ich glaub, du brauchst jetzt eher einen steifen Küstenschnaps..."
„Du sicherlich auch..."
11. Glücksritter und Versager
Es war ein Sommertag wie schon lange nicht mehr in Talstadt: mehr als 30 Grad im Schatten - und das bereits kurz vor der Mittagspause.
Bankdirektor Thomas Rottmayer saß mit geöffneter Krawatte am Schreibtisch, als Frau Zupfert einen Besucher anmeldete.
Die Frau war seit mehr als 30 Jahren für die WaldenbergBank tätig: Sie hatte bei Stefanies Großvater als Lehrling angefangen und sich beim kürzlich verunglückten Maximilian Waldenberg bis zur Chefsekretärin hochgearbeitet. Auch der Erbin war sie eine unentbehrliche Stütze. Frau Zupfert war stets loyal und diente treu. Auf sie konnte man sich blind verlassen.
Sie besaß den Schlüssel zum Privattresor und Stefanies uneingeschränktes Vertrauen.
Die 58-Jährige war unverheiratet; das Bankhaus war ihre Liebe – und ihr Leben.
Sie öffnete die Tür zu Rottmayers Büro und geleitete den Besucher zu dem tiefen Ledersessel vor dem Schreibtisch des jungen Bankmanagers. Sie musste den Gast nicht vorstellen; jeder kannte ihn, natürlich auch Rottmayer: Julius Hammerstein galt als der mächtigste Bauunternehmer der Region.
Die Wohnblocks am Rande der Stadt hatte seine Firma errichtet und auch die neue Schule, die Mehrzweck-Turnhalle und die Fabrik des Werkzeugmaschinenbauers Obermüller. Hammerstein war der wichtigste Kunde der Bank. „Seine Kredite sind so hoch, dass sie die Wolken streifen", lästerten die Bankangestellten.
An Hammerstein hatte das Geldhaus jahrzehntelang massiv verdient. Doch jetzt war er schon zwei Monate mit der Rückzahlung des geliehenen Geldes in Verzug.
Rottmayer hatte diese Zahlungen fest eingerechnet – auch, um die Verpflichtungen der Bank gegenüber Bertone einhalten zu können.
Die Begrüßung des Kreditkunden fiel denkbar kurz aus; Rottmayer interessierte nur eines: „Wann, Herr Hammerstein, zahlen Sie Ihre Kredite zurück?"
Der Baulöwe versuchte, Verständnis für seine Lage zu wecken: „Sie wissen selbst, dass die Baukonjunktur am Boden liegt. Kein Mensch baut, die Immobilienpreise fallen senkrecht. Und keiner bezahlt meine Rechnungen."
Rottmayer ahnte, dass Unheil auf ihn zukam. „Unsere Bank ist auf die pünktliche Rückzahlung Ihrer Kredite angewiesen. Sie sind mit Ihrem Bauunternehmen unser wichtigster Kunde. Wenn Sie nicht zahlen, ist die Waldenberg-Bank am Ende."
Hammerstein: „Ich muss Ihnen sagen, dass..."
Rottmayer blieb kühl: „Sie müssen gar nichts sagen. Sie müssen nur zahlen."
Und, nach einer kurzen Pause, fügte er mit allem Nachdruck hinzu: „Wir müssen auf vertragsgemäßer Tilgung bestehen, so leid es mir tut."
Die Antwort Hammersteins traf Rottmayer wie ein besonders wuchtiger Tritt in den Magen: „Ich habe vor einer Stunde Konkurs angemeldet."
12. Überraschung in der Truhe
Die beiden Frauen im Wohnwagen an der Ostsee waren fassungslos. Stefanie stieß verwirrt und aufgebracht hervor: „Es muss doch Unterlagen geben: Urkunden, Krankenblätter – irgendwas!"
Kathi hastete zu einer Truhe, die in der Ecke unter einem Berg von hingeworfenen Klamotten stand und riss den Deckel auf. „Hier drinnen hat sie alles aufgehoben. Vielleicht sind da ja noch Dokumente."
Dabei zog sie ein Kleidungsstück und Kartönchen nach dem anderen heraus und schleuderte alles auf den Boden. Plötzlich hielt sie eine Hutschachtel in der Hand. „Wir nähern uns dem geheimen Kern."
Sie zog den Deckel ab, der Blick fiel auf vergilbte Fotos, Briefe und alte Ausweise.
Kathi kippte den Inhalt vor Stefanie auf den Couchtisch. Einen Briefumschlag fischte sie heraus. Darin ein vergilbtes Foto zweier Frauen: eine jüngere im Bademantel und eine ältere in einem Krankenschwesterkittel. Beide hielten jeweils ein Baby im Arm. Im Hintergrund ein Fachwerkhaus mit weit herunter gezogenen Dachüberhängen, das wie geduckt vor der mächtigen
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