Liebe bringt die höchsten Zinsen
ausgezeichnet hatte, als sie noch Klassensprecherin war. „Ob ich mit Ihnen rede, entscheide ich. Ich alleine! Sie glauben wohl, weil Ihr Land neuer EU-Staat wird, kann sich Kroatien verhalten wie im Mittelalter – oder was soll das?"
„Man verdächtigt Sie eines Mordes."
„So, eines Mordes? Wahrscheinlich hab ich auch den Ersten Weltkrieg angezettelt. Und den Jugoslawien-Krieg auch. Lassen Sie mich sofort raus."
„Ihre Papiere wurden im Auto eines Toten gefunden. Was ist vorgefallen, wie kamen Ihre Dokumente in das Fahrzeug mit dem Toten?"
„Weil er mir mein Auto geklaut hat. Mit all meinen Papieren."
„Ich bin Journalist aus Zagreb, mein Onkel ist der örtliche Polizist. Er sagte, dass Sie Opfer von Betrügern geworden seien. Kommen die aus Italien?"
Stefanie wurde vorsichtig. „Und wenn es so wäre?"
„Dann hätten wir beide ein gemeinsames Ziel."
Stefanie überlegte: Man sieht ihm gar nicht an, wie die hier ihre Mitmenschen behandeln. Laut fragte sie: „Und was spricht dafür, dass ich ausgerechnet Ihnen trauen kann? Sie sagten doch selbst, dass Sie zur Sippe des Dorfpolizisten gehören..."
„Ich verstehe, dass Sie mir nicht glauben. Aber bevor Sie mir nicht alles sagen, kann ich Ihnen nicht beweisen, dass ich es ehrlich mit Ihnen meine."
Dann fügte er mit einem Bedauern in der Stimme hinzu: „Dann geh' ich wohl lieber."
Er drehte sich um und stapfte zurück zur Tür der Wache.
„Jetzt auch noch beleidigt sein; das könnte Ihnen so passen. Lassen Sie mich sofort raus."
Daniel lehnte ab: „Erst wenn ich Ihre ganze Geschichte kenne."
„Das ist Freiheitsberaubung! Auch Sie kriegen 'ne Anzeige."
Der nächtliche Besucher zuckte bedauernd die Achseln. „Schade! Dann eben nicht."
Stefanie überlegte: Was geht ihn meine Geschichte an? Doch wenn ich mich weigere, hocke ich womöglich noch morgen hier.
Sie hatte keine echte Wahl.
„Bleiben Sie. Aber lassen Sie mich wenigstens raus aus diesem Käfig." Und ein wenig kleinlaut fügte sie hinzu: „Haben Sie etwas zu essen?"
„Wird veranlasst."
30. Die Hasen vor der Flinte
Die Minuten vergingen, die ersten Gäste der Bank wurden unruhig und ungeduldig. Um ihre Fassung zurückzugewinnen, ordnete Kathi demonstrativ und umständlich ihre Spickzettel.
Das ist hier doch echt 'was anderes als unser CampingTheater; aber irgendwas muss ich jetzt sagen, befahl sie sich, irgendwas... Gott sei Dank hatte sie ihren Schluckauf bezwungen.
„Moin, Moin", entschlüpfte es ihr, die Begrüßungsworte von der Küste.
Bei den Gästen breitete sich Ratlosigkeit aus. Kathi blickte in fragende Gesichter. Frau Zupfert drängte sich nach vorn und reichte ihr ein Glas Wasser. Die falsche Erbin fing sich, der „Knoten platzte", sie gewann ihre Selbstsicherheit zurück.
„Ich habe gerade einen Kurzurlaub an der Ostsee hinter mir – da begrüßt man sich mit ‚Moin, Moin' - und das hab ich aufgeschnappt und Ihnen mitgebracht."
Die Zuschauer schmunzelten, aber Zweifel standen nach wie vor in ihren Gesichtern geschrieben - bis Kathi ihre Blätter erneut auseinanderpflückte und endlich ihren „Faden" wiederfand.
„Sehr geehrte Damen und Herren, hoch verehrtes Kolloquium. Ich freue mich, dass Sie alle so zahlreich gekommen sind und danke für Ihr Erscheinen." Kathi nahm eine der Listen zur Hand, die die Sekretärin ihr vorbereitet hatte und las die Namen der besonders wichtigen Teilnehmer ab.
„Wahrscheinlich werden Sie sich fragen, was sich alles bei uns ändern wird. Meine Antwort ist: vorerst nichts. Und damit wir uns ein wenig näherkommen, ziehe ich es vor, Sie lieber in Einzelgesprächen kennenzulernen – statt von hier oben eine lange Rede zu halten."
Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Und auch Sie haben bei diesem Kolloquium Gelegenheit zu einem ersten persönlichen Kontakt!" Damit wandte sie sich der ersten Gruppe an den zahlreichen Bistro-Tischen zu. Ein kurzer Beifall brandete auf, wenngleich nicht wenigen aufgefallen war, dass sie den Sinn des Wortes „Kolloquium" offensichtlich nicht kannte.
Frau Zupfert rückte dicht an sie heran und flüsterte Kathi vorsorglich die einzelnen Namen und Funktionen von der Checkliste ins Ohr.
Als Erster sollte der Betriebsratsvorsitzende Wenger von ihr begrüßt werden. Kathi nahm einen kräftigen Schluck Wein und las
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