Liebe bringt die höchsten Zinsen
kleines, völlig überladenes Schaufenster. In einer Ecke, aufgerichtet an der Wand, ein alter Dolch. Wie angewurzelt blieb sie stehen.
Der Dolch war so lang wie ein Unterarm, seine zweischneidige Klinge strahlte geheimnisvoll unter einer dicken Staubschicht hindurch. Sein Griff war oben von einem Löwenkopf abgeschlossen, zur Klinge hin prangte ein silberner Steg, der seinem Besitzer einen kräftigen Schub beim Stich in die Brust des Feindes ermöglichen sollte. Beide Enden des kunstvoll gearbeiteten Griffstegs waren mit silbernen Leopardenköpfen verziert.
Der Händler beobachtete Stefanie. Die Wirkung des Dolches auf Stefanie war ihm nicht entgangen.
„Ein schönes Stück, nicht wahr?" Er stellte sich neben sie und betrachtete aus derselben Perspektive sein Angebot. „Der Dolch dient nur der Dekoration. Er ist nicht verkäuflich."
Stefanie konnte ihren Blick nicht abwenden. „Kann ich ihn dennoch aus der Nähe anschauen?"
Der Mann nickte, angelte die Stichwaffe aus der Auslage und wischte mit dem Ämel seines Hemdes den Staub ab.
„Warum wollen Sie ihn nicht verkaufen?"
„Er ist ein Teil unserer Geschichte. Das verkauft man nicht."
„Darf ich ihn anfassen?"
Der Kroate drückte ihr die Waffe in die Hand. „Den Dolch hatte vor vielen Jahren ein junger Kroate namens Petar von seinem Vater geerbt. Dem war die Waffe nach einem siegreichen Zweikampf gegen einen Adeligen in die Hände gefallen."
Der Händler steckte sich eine Zigarette an. „Der junge Petar hatte sich – obwohl er erst an die 20 Jahre zählte - unserem Volkshelden Matija Gubec angeschlossen. Der war im 16. Jahrhundert mit einer Armee von 20 000 Knechten und Kleinbauern gegen Unterdrückung und Ausbeutung durch Grafen und Gutsherren in den Krieg gezogen. Petar bewunderte den Mut seines Anführers und kämpfte leidenschaftlich an dessen Seite. Mehrmals rettete er ihm in Nahkämpfen Mann gegen Mann mit diesem Dolch das Leben. Die Waffe hat in diesen Jahren viel Feindesblut gesehen, denn die Aufständischen wollten ehrenhaft kämpfen - oder untergehen."
„Und haben beide den Aufstand überlebt?"
„Die Armee der Bauern wurde vernichtet, 6000 Freiheitskämpfer noch im Anschluss an ihre Niederlage von den Schergen der Machthaber grausam ermordet. Matija Gubec selbst wurde 1573 gefangen genommen. Sie haben ihn hier in Zagreb mit glühenden Zangen gefoltert und ihm eine rote Glutkrone auf auf sein Haupt gesetzt. Dann wurden vier Pferde an seinen Körper gespannt. Die Tiere wurden in alle Himmelsrichtungen gejagt – und Matija gevierteilt."
„Oh Gott! Und was wurde aus dem jungen Petar?"
„Sie haben ihm - ebenfalls auf dem Platz des Heiligen Marko - wie einem Schlachtvieh den Kopf abgeschlagen."
„Und der Dolch?"
„Den hatte er vor der Hinrichtung unbemerkt fortgeworfen. Eine Magd fand ihn. Er wurde über Generationen weitervererbt – und landete schließlich bei mir."
Der Mann reichte ihn Stefanie: „Schauen Sie selbst – eine großartige Waffe. Der geschwellte Griff ist aus Hartholz und mit Edelsteinen besetzt. Die zweischneidige Klinge hat eine Hohlkehle und verursacht fürchterliche Verletzungen. Der Tod kommt danach schnell."
Der alte Mann machte aus seiner Begeisterung keinen Hehl: „Der Dolch ist leicht und liegt fest in Ihrer Hand. Sie brauchen wenig Kraft, wenn Sie den Stich richtig führen. Im Nahkampf macht er seinen Besitzer überlegen."
Schaudernd und fasziniert zugleich wog Stefanie die Stichwaffe in ihrer Hand. Sie strahlte tatsächlich einen unerklärlichen Zauber aus...
War es Einbildung oder mehr? Stefanie hatte das Gefühl, als verliehe ihr der Dolch Mut und Sicherheit.
„Sie haben recht: ein wunderschönes Teil." Sie reichte ihn zurück.
„Kann ich Ihnen etwas anderes anbieten?", fragte der Händler. Stefanie wollte den Laden nicht verlassen, ohne dem Händler etwas abzukaufen. Sie schaute sich noch ein paar Minuten um, dann entdeckte sie eine alte schwarze Arzttasche aus dickem Rindsleder für 89 Euro.
„Ich habe leider kein Geld."
Sie nahm ihre Kette mit 77 weißen Perlen vom Hals, die sie von ihrer Adoptivmutter geerbt hatte. „Was ist sie Ihnen wert?"
„In Euro?"
„Ja."
„Ich gebe 50 ", bot der Händler.
„Ich will 200."
„Letzter Preis: Ich zahle 90!"
„100."
„O.K."
Er reinigte die
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