Liebe bringt die höchsten Zinsen
morgigen Tag zu denken. Sie zog sich aus, um Ruhe zu finden. Doch der Schlaf verlor den Kampf gegen ihre Gedanken.
Als Daniel zu später Stunde zu Stefanie zurückkam, war sein Ärger verraucht. Sie lag im Bett und versuchte sich mit einem abgegriffenen Reiseheft aus dem Zimmerregal abzulenken.
Daniel setzte sich zu ihr. „Zuerst eine gute Nachricht: Ich habe gerade mit Ivan telefoniert. Du bist frei, die Ermittlungen haben ergeben, dass ein vorbestrafter Ganove dein Auto gestohlen hat. Auf der Flucht hat er die Gewalt über deinen Wagen verloren und ist über die Leitplanke gerast. Auch der Staatsanwalt weiß jetzt, dass du völlig unschuldig bist."
„Hat auch lange genug gedauert."
„Auf jeden Fall können wir uns jetzt völlig frei bewegen. Wie wollen wir vorgehen, was schlägst du vor?"
„Mein Entschluss steht fest: Ich werde Bertone morgen früh in der Bank zur Rede stellen."
Daniel war skeptisch: „Ich bezweifle, dass das etwas bringt. Was wird er gestehen? Er wird alles abstreiten und auf Vertragserfüllung bestehen."
„Doch nicht, wenn alle Vereinbarungen auf Täuschung und Arglist basieren. Wenn er nicht bereit ist, unser Geld zurückzuzahlen, dann werden wir es mit der Polizei holen."
„Sei mir nicht böse, aber ohne einen Stapel Dokumente und einen richterlichen Beschluss wird die Polizei nicht gleich in die Bank eindringen. Erst recht nicht, wenn dadurch auch noch Implikationen mit Italien drohen."
„Wenn du zu feige bist, dann gehe ich allein. Gute Nacht!"
Stefanie knipste verärgert ihr Nachtlicht aus. In Gedanken spielte sie eine Variante nach der anderen durch – unsicher, welche Erfolg haben könnte:
Sollte ich doch die Polizei rufen?
Sollte ich mich allein mit Silvio treffen?
Kann ich ihn überhaupt unter Druck setzen?
Was habe ich in der Hand?
Erst in den frühen Morgenstunden fiel sie – mehr schlecht als tief – in einen unruhigen Schlaf.
Daniel erging es nicht anders.
53. Weiße Perlen für einen Dolch
Der Tag, an dem die letzte Zahlungsfrist für die verschuldete Bank ablaufen sollte, schickte schon früh am Morgen seine ersten Sonnenstrahlen in die Enge der Stadt. Noch warfen die Häuser tiefe Schatten. Es sollte wieder ein heißer Tag werden, hatten die Meteorologen angekündigt, mit Höchsttemperaturen von 35 Grad.
Stefanie war vor Daniel aufgewacht. Sie hatte schlecht geschlafen, sich immer wieder von einer Seite auf die andere gewälzt. Die Gedanken an den alles entscheidenden Augenblick und die Abrechnung mit dem Liebeslügner hatten ihr keine Erholung oder Entspannung gegönnt. Vielleicht würde sie ein Spaziergang ablenken?
Leise kleidete sie sich an und schlich zur Tür – bereit zum ungleichen Kampf um das Erbe ihres Vaters.
„Nimm wenigstens ein Handy mit, wenn du schon ohne Plan eine Burg stürmen willst", forderte Daniel schlaftrunken. „Auf der Fensterbank liegt das aus meinem Auto."
Stefanie steckte es ein und verließ das Hotelzimmer. Ganz so naiv wie Daniel glaubte, war sie nicht. Auch sie ahnte, dass Bertone ihr kaum entgegenkommen würde. Und – einmal in die Enge getrieben – zu allem fähig sein würde.
Sie trat hinaus auf die enge Gasse vor ihrem Hotel. Die Fahrzeuge der Stadtreinigung und der Müllabfuhr waren bereits unterwegs. In den Seitenstraßen fuhren die ersten Rollläden scheppernd in ihre Halterung. Nur wenige Autos belebten die Straßen. Die Stadt erwachte gemächlich und wie schlaftrunken, bereit für einen neuen Tag mit anschwellenden Verkehrsströmen und ungeduldig hupenden Autofahrern.
Noch stand die Sonne schräg und dort wo sie zu dieser Zeit nur seitlich auf die Häuser traf, kühlten Schatten die Bürgersteige. Stefanie ließ sich treiben, wanderte ziel- und ruhelos durch Seitenstraßen und Boulevards, vorbei an prächtigen Palästen, Kirchen und Klöstern, bis sie am Dolac landete, dem zentralen Markt.
Obstverkäuferinnen füllten ihre Stände auf, die Souvenirhändler drapierten Bilder und Abgüsse von Heiligenfiguren, sortierten Keramik und Kristalle, Bücher und Branntweine. Die Käufer konnten kommen...
In einer der Gassen passierte sie einen kleinen Laden mit echten und nachgemachten Antiquitäten. Der Besitzer, ein alter Mann von vielleicht 70 Jahren, war gerade dabei, antike Möbel von einem Kleinlaster zu wuchten. Stefanie ließ ihn vorbei; ihr Blick fiel auf sein
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