Liebe bringt die höchsten Zinsen
über deine Familie und über das kroatische Volk, soweit ich es kennengelernt habe."
„Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?"
„Dass ich mich falsch verhalten habe: Ich war arrogant, undankbar, immer fordernd und ichbezogen. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Es tut mir aufrichtig leid. Bitte nimm meine Entschuldigung an."
„Es war ja auch keine leichte Zeit für dich."
„Dennoch: Ich war einfach zu zickig."
„Lass' uns nach vorne schauen."
Daniel empfand deutlich, dass noch eine weitere Sorge Stefanie, aber auch ihre Schwester quälte - eine Sorge, die wie ein dunkler Schatten über ihnen lastete. Daniel spürte, dass die beiden noch nicht darüber sprechen wollten. Er nahm sich vor, geduldig zu warten, bis sie sich offenbarten.
Am Abend brachte ihn Stefanie zum Flughafen. Er musste zurück nach Zagreb. Diesmal wusste Stefanie mit Gewissheit: Er würde wiederkommen, schon bald.
Und sie würde glücklich auf ihn warten – egal, wie lange...
Die adoptierte Tochter Waldenbers bangte einerseits vor dem Besuch der Behörde am bevorstehenden Montag, andererseits konnte sie den Termin gar nicht erwarten. Sie erhoffte sich endlich eine Antwort auf die Fragen nach dem „Warum?"
Warum wollte meine leibliche Mutter mich nicht behalten?
Was ist das für eine Mutter, die ein Baby weggibt?
Was ist das für ein Vater, der ein solches Doppelspiel treibt?
Warum hab' ich das alles nicht früher erfahren?
Wenn wir wirklich Zwillinge sind - warum hat Vater nicht uns
beide adoptiert?
Am Montag würde sie die Antworten bekommen.
60. Das Puzzle eines Lebens
Es war fünfzehn Minuten vor neun Uhr, als ein Meteorologe im Autoradio warnte: „Unwettergefahr in ganz Bayern. Schwere Gewitter ziehen auf, verbunden mit heftigen Regen fällen, Hagelschlag und orkanartigen Sturmböen. Vorsicht vor umstürzenden Bäumen."
Kathi steuerte den kleinen BMW aus Waldenbergs Garage und setzte wenige Minuten später ihre Schwester vor dem Rathaus in Talstadt ab. „Viel Glück! Ich warte hier auf dich."
Mit klopfendem Herzen stieg Stefanie aus. Würde sie heute die Rätsel um ihre Familiensaga lösen?
Das Jugendamt lag im ersten Stock des altehrwürdigen Rathauses direkt am Marktplatz. Seine Grundmauern stammten aus dem Jahr 1890; es gehörte sicherlich zu den schönsten Fachwerkhäusern der Stadt.
Stefanie war pünktlich um neun Uhr morgens erschienen. Der neue Leiter war von auffallender Freundlichkeit. Stefanie registrierte wie aus weiter Ferne, dass er seine Mitarbeiterinnen anrief und sie bat, ihn in der nächsten Stunde auf keinen Fall zu stören. Dann zog er einen abgegriffenen hellbraunen Schnellhefter aus einer Schublade und klappte ihn auf. Wie um Zeit zu gewinnen, putzte er umständlich seine Brille und begann:
„Natürlich haben Sie Anspruch zu erfahren, wer Ihre Eltern sind und wie es zu Ihrer Adoption gekommen ist. Ich muss unser Amt entschuldigen, dass man Sie so lange hat warten lassen. Aber die Adoptiv-Vorgänge aus den Jahren 1960 bis
1980 waren bereits im Aktenkeller archiviert. Ich muss zugeben, dass sie – aus heutiger Sicht – auch nicht ganz systematisch abgelegt waren." Stefanie unterbrach ihn: „Gut, dass Sie sie finden konnten." „Wie soll ich sagen: Ihre leiblichen Eltern stehen nicht fest, sie konnten nicht ermittelt werden. Auch Ihr genauer Geburtszeitpunkt ließ sich nicht präzise feststellen. Es hört sich jetzt sicherlich sehr hart an, aber Sie haben natürlich Anspruch auf
vollständige Information. Also - vor 30, 40 Jahren gab es noch nicht diese sogenannten Babyklappen. Eine unbekannte Frau hat Sie entbunden. Sie wurden kurze Zeit später in Talstadt ausgesetzt."
Es war schwül in dem Amtszimmer. Der Beamte lockerte seine Krawatte. Stefanie hing atemlos an seinen Lippen.
„Gottseidank konnten Sie rechtzeitig entdeckt werden. Sie hatten keinerlei Verletzungen und auch keine Unterkühlung, wie es in solchen Fällen oft berichtet wird."
Er schnäuzte sich und blickte Stefanie prüfend an, als wolle er fragen, ob sie stark genug sei, noch mehr zu erfahren.
Stefanie nahm ihm seine Zweifel. „Wie ging es dann weiter?"
„Wir mussten entsprechend den Verordnungen und gesetzlichen Vorgaben einen Amtsvormund bestellen, da die Mutter nicht zu ermitteln war und auch nicht derjenige, der Sie damals ausgesetzt hatte."
Wieder
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