LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
hochgewachsene Ermittler klang unsicher.
„Ganz genau, da unser Raphael nicht da ist, wirst du schön ins Krankenhaus fahren und die Journalisten befragen und die Staatsanwaltschaft auf dem Laufenden halten. Wir ermitteln gegen Unbekannt. Und dieser da …“ Er sah im Augenblick etwas irritiert drein. „Wo ist die Schmalzlocke?“ Die Frage galt Kovatsch.
„Sie meinen den Staatsanwalt?“
Der Oberkommissar nickte.
„Nervenzusammenbruch, der bunte Tote war sein Sohn, war auch der Hauptverdächtige bei den fünf Frauen. Sie wissen schon, bei den toten Prostituierten.“ Kovatschs Stimme klang nun wieder gefasster.
„Es wird immer lustiger“, lachte der dicke Mann von der Mordkommission verzweifelt. „Die Welt geht vor die Hunde“, schnaubte er dann.
„Mir sterben nicht nur die Menschen weg, auch die Beamten sind nicht gegen ihr Schicksal gefeit.“ Seehoffer schüttelte seinen großen Kopf. Nahm die Brille von der fleischigen, von vielen dünnen blauen Äderchen durchzogenen Nase. Die Brille sah ziemlich zerbrechlich aus und passte nicht ganz zu seinem massigen Gesicht, ohne hinzuschauen rieb er die Gläser mit geübten Handbewegungen sauber und setzte sich die Augengläser zurück auf die Nasenspitze.
Der Oberkommissar sah wieder gefasst aus, auch beim Sprechen gelang es ihm, sich unter Kontrolle zu halten. „Morgen kommt ja auch nur der Papst höchstpersönlich. Ist ja auch nur ein Mensch.“ In seiner Stimme schwang ein Hauch von Verzweiflung und Zynismus mit.
Kovatsch war neu bei der Kommission und kannte den aufbrausenden Mordkommissionsleiter nicht so gut. Kovatsch stand da und wartete auf weitere Anweisungen. Der emotionale Chef ging im Kreis herum wie ein übergewichtiger Tiger im Käfig. „Du bist für meinen Raphael eingesprungen, stimmt's?“ Er hob den Zeigefinger an die Lippen, dies war eine seiner typischen Bewegungen, wie hier jeder wusste, außer Kovatsch natürlich. Vor dieser Gebärde musste man sich fürchten, das wusste der neue Kommissar aber auch nicht, also stand er immer noch stramm und verfolgte den dicken Seehoffer nur mit den Augen. „Also kann ich Sie auch behandeln wie ihn?“, sah er den betreten aussehenden Olaf Kovatsch durchdringend an.
D er eingeschüchterte Kommissar nickte unsicher.
Mit einem ohrenbetäubenden Wutanfall wandte sich der Dicke an den jungen Polizisten: „Also dann beweg deinen Arsch, aber im Sechseck, steh nicht nur da, ich brauche Ergebnisse!“ Es war ein Schreien und Zischen zugleich, das jedem eine Gänsehaut verpassen konnte, so auch Kovatsch.
Der zu Tode erschrockene Beamte zuckte zusammen.
„Wenn ich diesen Morgenstern nur in die Finger bekomme, rei ße ich seinen Allerwertesten in Fetzen und lasse seinen Podex von einem Tierarzthelfer falsch herum annähen, damit er jedes Mal beim Scheißen sich meiner Wenigkeit erinnern kann und wie schlecht es mir heute ging. Hätte ich den bloß nicht zwangsbeurlaubt.“ Die letzten Worte galten nicht fremden Ohren, darum waren sie kaum zu hören.
Abwertend w inkte er sein Gegenüber von sich weg, als scheuche er Tauben aus dem Weg.
Olaf Kovatsch rieb sich verzweifelt mit dem linken Daumen über seine dicke Augenbraue, nickte unschlüssig und ging schnellen Schrittes in die Dunkelheit der Nacht. 'Nur raus hier' , waren seine Worte, als er an die frische Luft gelangte.
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Der Alptraum ging weiter. Gabriel schwamm in der Zeit seiner Vergangenheit. Zuerst war alles grau, zögernd kamen die Bilder erneut zum Vorschein.
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„Nach einem mehrtägigen Aufenthalt im Krankenhaus und einer psychiatrischen Intensivbetreuung kam er dann irgendwann zu einer Pflegefamilie. Dort erhielt er die Zuwendung und die Liebe, mit der er überschüttet wurde, die er aber bisher nie erleben durfte, darum hielt er es bei den neuen Familien nicht sehr lange aus. Christian konnte mit der ehrlichen Zuneigung nichts anfangen. Die lieben Menschen erdrückten ihn damit. Eines Tages rastete er aus und schlug um sich wie ein Wahnsinniger, er verletzte seinen Ziehvater. Als der gutmütige Mann sich nicht wehrte, er hielt nämlich den zehnjährigen Ziehsohn nur fest, erdrosselte Christian ihren Hund mit der Hundeleine mitten im Garten an einem Schaukelgestell. Als die Kinder zum Spielen aus dem Haus kamen, sahen sie, wie Christian den Hund wie ein Kind auf einer Schaukel anschubste.“ Raphael sah zu seinem Sohn, Jochen trank wieder etwas aus der Flasche, ohne die Augen zu öffnen .
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