LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
'Anscheinend hat er nichts hinzuzufügen' , dachte Morgenstern und las weiter. Sein Sohn hörte nur dem leisen Flüstern seines Vaters zu.
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Gabriel atmete wieder schneller, die brutale Erinnerung erregte ihn immer wieder aufs Neue. Er sah sich zuerst mit den Augen des zwölfjährigen Mädchens, dann mit denen des achtjährigen Jungen. Der Anblick war der Gleiche, ein blonder Junge schaukelte den toten Hund an der Leine, höher und höher flog das tote Tier in die Luft und wieder zurück. Ihr Leihbruder sah dabei glücklich und erheitert aus. Das Lächeln auf seinen Lippen war böse. Das Bild wechselte zu einem Schwarzweißfilm und flimmerte leicht. Es blitzte auf. Christian sah die erstarrten Gesichter seiner neu gewonnenen Geschwister, gestochen scharf. Zu einem Bild erstarrt standen die beiden nur da. Wie Wachsfiguren zu bizarren Grimassen verzerrt, glubschten sie ihn mit offenen Mündern an.
Der Hund blutete leicht aus dem Maul, die Leine fraß sich schon sehr tief in das tote Fleisch des Tieres. Zuerst hatte es einige Male geknackst, als er das Tier anschubste. Irgendwann war der Hals etwas länger, und es knackste nicht mehr.
Lächelnd sah der blonde Junge zu seinen Geschwistern . Ihm machte es Spaß, die anderen zu ärgern, sie waren sowieso immer langweilig gewesen. Und heulten wegen jeder Kleinigkeit.
Zuerst standen die beiden nur da, sie realisierten mit ihrem Kinderverstand im ersten Augenblick ihres Schocks nicht, wie grausam das bizarre Bild tatsächlich war. Nach einem Dutzend Herzschläge begriffen die lieben Kinder, dass ihr kleiner Hund tatsächlich tot war. Das liebe Brüderchen winselte zuerst und schaute zu seiner Schwester hoch. Das zweite, ältere Kind schrie wie am Spieß. Der ohrenbetäubende Schrei ließ den erwachsenen Körper zusammenzucken. Der Schrei des Mädchens war wie ein Wehklagen um einen liebsten Menschen, den man für immer verloren hatte.
Gabriel kannte das Gefühl der Nächstenliebe nicht.
Der Wehruf um den verstorbenen Freund ließ ihn damals erschaudern, heute klang der Schrei noch entsetzlicher. Gänsehaut bildete sich auf dem schlafenden Körper. Die Härchen auf den Armen und dem Nacken richteten sich auf. Er verspürte einen befriedigenden Schauer, der sich einer Erregung gleich über seinem Körper ausbreitete.
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Im schlecht erleuchteten Zimmer knisterte es vor Spannung. Das kleine Buch enthüllte sämtliche Geheimnisse. Es war wie eine Offenbarung, so als verbarg das kleine unscheinbare Heft das Geheimnis des menschlichen Daseins und den eigentlichen Sinn des Lebens.
Von Neugier erfüllt, blätterte Gregor im Heft hin und her. Es gab Vieles, was sie nicht lesen und nicht deuten konnten.
„Schaut mal“, wisperte Lisa.
Gregor hielt inne. „Bibel gegen Darwin“, sprach er vor sich hin.
„Kampf der Titanen“, fügte Michael hinzu.
„Zuerst war das Licht, dann entstand das Leben“, stand in krakeliger Schrift geschrieben. „Die Frage ist: Was war vor dem Licht? In Klammern, vor dem Urknall?“
Gregor las etwas leiser für die anderen mit, da die Schrift kleiner wurde und sich mit Hieroglyphen vermischte.
„Bibel: Zuerst war Licht. Der Allmächtige erschuf den Menschen (Adam), auf hebräisch bedeutet Adam Mensch.“ Gregor schaute zu seinen Zuhörern auf, sie nickten zum Zeichen, dass sie das schon wussten. Sich den Hals frei hüstelnd, las er weiter. „Dann hauchte er ihm das Leben (Eva) ein, wird auch oft mit dem Wort Schlange verwechselt ...“
„Was?“ Das hörte Lisa nun wirklich zum ersten Mal, auch die anderen beiden.
„ Eva bedeutet Leben“, wiederholte der junge Mann und las aufgeregt weiter. „Das Leben gefiel ihm, er wollte mehr davon. Also schuf der Allmächtige für Adam (Adam steht auch für die Menschheit im Ganzen) viele andere Tiere, so dass die intelligenten Geschöpfe sich des Lebens erfreuen konnten. Damit die Menschen Gott nicht ebenbürtig waren, teilte er sie in zwei Teile auf: Männlich und weiblich, nur zusammen konnten die Kinder des Allmächtigen das Gleiche vollbringen wie ihr Schöpfer selbst, nämlich Leben erschaffen. (Geschöpf) auf Latein Animal. Bedeutung: Tier, Geschöpf ...“ Alle schluckten schwer. Das wusste nun keiner von den Anwesenden, außer vielleicht Gregor.
„... Mensch“, dieses Wort klang wie ein Zauberspruch, unheimlich und irgendwie fremd. Jedem lief es kalt über den Rücken.
Schnell blätterte der junge Mann weiter, gefährlich raschelte das
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