LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
Der schwache Schein des Mondes spendete das nötige Licht, so konnte sich Sebastian ohne Taschenlampe frei bewegen. Der Himmel lichtete sich, die Wolken verschwanden vom schwarzen Firmament. Hier und da zwinkerten die hellen Sterne Sebastian zu. Das Tropfen wurde seltener.
Er sah wieder zu dem Wagen. Die riesige Fichte wachte über ihm. Ein grüner Baum war für die Menschen schon immer ein Sinnbild für das Leben, doch immer mehr Wald verschwand von der Erdoberfläche. Sebastian atmete die kühle, frische, nach Weihnachten duftende Luft mit voller Lunge ein. Ihm liefen bittere Tränen über das müde Gesicht. Er wollte nur noch ein einziges Mal an dem Haus seiner Familie vorbeifahren, vielleicht würde es für ihn heute das letzte Mal sein.
So wollte er die irdische Welt in Erinnerung behalten, friedlich, gewaltlos, duftend nach Leben. Er hob eine Handvoll der morschen nassen Erde und sog den sinnesberauschenden Duft in sich hinein. 'Daran werde ich mich noch bis vor meinem Tod erinnern' , dachte er mit einem Stechen in der Brust.
Er winkte den Riesen zu, in Gedanken verabschiedete er sich von dieser Welt, die Bäume winkten ihm zurück, Sebastian lächelte und entblößte dadurch unbewusst seine riesige Zahnlücke.
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Jochen war immer noch sehr müde, er wollte jedoch die Nähe seines Vaters auskosten. Er wollte helfen, er vermisste auch sehr seine Mutter.
Gedankenverloren sprach er die Worte des Greises nach.
„Danach kam er in ein Heim, wurde ärztlich betreut, seine Psyche stabilisierte sich langsam. Dort stellte einer seiner Betreuer fest, dass Gabriel überdurchschnittlich intelligent ist. Er wollte den Test sabotieren, er schrieb fast alle Antworten falsch. Sein Protest ging komplett in die Hose, irgendwie gelang es den Betreuern, ihn zu überlisten“,
fügte Jochen schlaftrunken hinzu, als Morgenstern mit dem Lesen innehielt, um seine Kehle zu befeuchten.
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Gabriel sah wieder das Heim, er liebte es. Dort wurde er gut behandelt. Man hielt sein nach Wissen lechzendes Gehirn immer auf Trab und fütterte es mit immer mehr Informationen, sodass der kleine Junge schnell die Zeit vergaß und keine Dummheiten mehr anstellte. Er liebte Bücher aller Art, besonders die, die etwas über fremde Welten und geheime Religionen erzählten. Aber auch die Bibel. Er lernte Griechisch und Hebräisch, nur um die alten, nicht übersetzten Bibelbücher und deren Abschriften studieren und analysieren zu können. Immer wieder fand er Ungereimtheiten. In einer Geschichte fand er eine Stelle, wo Jesus über den See lief, doch nirgends stand, dass er über das Wasser ging. Zu dieser Zeit, als er über den See marschierte, war es auch ziemlich kalt, kein Wunder also, wenn das Wasser gefroren war, war wohl jeder im Stande, auf der harten, durchsichtige Oberfläche aus zugefrorenem Wasser spazieren gehen zu können . 'Über dem Wasser also.' (Bei dieser Geschichte fahren die Jünger aber mit dem Boot auf dem See) Oder noch eine Geschichte, als Jesus das Wasser zu Wein machte. Gabriels unbewegte Miene, immer noch in tiefer Trance, verwandelte sich in ein lächelndes Gesicht. Diese Geschichte amüsierte ihn immer wieder. Keiner außer ihm kam zu der Überlegung, dass Jesus nicht zaubern konnte? Damals, mit vierzehn Jahren, kam ihm der Gedanke, dass es die Übersetzer waren, die jene Geschichte falsch wiedergegeben hatten, oder besoffene Winzer erlaubten sich einen kleinen Scherz , dies war sein eigener Witz. Jesus sagte zum Bräutigam, als der junge Mann zu ihm kam und meinte, der Wein würde zur Neige gehen: „Vermische den restlichen Rebensaft mit reichlich Wasser, davon hast du ja genug. All deine Gäste sind so betrunken, dass sie es nicht einmal merken würden, deine Feier dauert ja auch schon lange genug.“
„So müsste es gewesen sein“, erzählte der junge Gabriel seine eigene Interpretation einst einem Priester, der bei ihnen den Religionsunterricht durchgeführt hatte.
Spätestens ab da verlor Gabriel den Glauben an den Gott aus der Bibel. Nach dem Unterricht verordnete ihm Pfarrer Benjamin zehn Sozialstunden im Kloster „Santa Sofia.“ Der konservative Religionslehrer (wie die meisten Kleriker es sind) fand seine Darstellung nicht logisch, geschweige denn lustig. ‚Gotteslästerung und Sektenverherrlichung‘ lautete der Schuldspruch, als sein Lehrer die Polizei, den Anwalt und den Richter in dem Zweimannprozess vertrat. Gabriel musste seine Pfingstferien(Pfingstferien
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