Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn
statt der für sie angemessenen vierzig quetscht und ihre strähnchen bereits fünf zentimeter rausgewachsen sind.
zügelt euren alkoholkonsum bei tisch. es gibt genügend gelegenheiten, euch ohne elterliches beisein zu betrinken. kippt also nicht gläserweise ihren 1980er l’évangéline bordeaux in euch hinein. und vor allem: macht anschließend nicht mit dieser anderen flasche weiter, die sie sich für ganz besondere gelegenheiten aufbewahrt haben.
geht ihnen aus dem weg! vergesst nicht, dass auch ihnen nicht wirklich an einer vertiefung generationenübergreifender beziehungen gelegen ist. alles, was sie wollen, ist sicherzustellen, dass ihre kinder stilvoll bespaßt werden. stellt also in ihrem Beisein möglichst häufig euer gutes benehmen unter beweis und sie werden euch unbesorgt in ruhe lassen.
und wer extrapunkte sammeln will – oder zu seinem siebzehnten geburtstag auf den neuen mercedes sl spekuliert –, dem möchte ich raten, diese regeln unbedingt auch auf seine eigenen eltern anzuwenden. immerhin verdienen sie den gleichen respekt, den ihr muffy und jim aus dem ferienresort entgegenbringt, nicht wahr?
als wäre es nicht schon einfach genug.
ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
gebündelte ressourcen
Rhys warf sich unruhig auf den gelben Laken aus ägyptischer Baumwolle hin und her und versuchte hartnäckig, die Sonnenstrahlen zu ignorieren, die ihn an der Nase kitzelten. Obwohl er hundemüde war, hatte er schon wieder nicht schlafen können. Vielleicht lag es an der Hitze.
Oder an der Tatsache, dass Avery praktisch nur zwei Armlängen entfernt im benachbarten Bungalow schlief?
»Von mir aus kann’s losgehen, Alter!«
Rhys schaute blinzelnd zu Owen auf, der in einem weißen T-Shirt und Cargoshorts an seinem Bett stand. »Ich will hier weg sein, bevor Remington auf der Matte steht und uns auf einen seiner dämlichen Familienausflüge mitschleppt«, erklärte er.
»Okay.« Seufzend schwang Rhys die Füße auf den kühlen Steinboden und stand auf. Diese ganze Verlobungsgeschichte hatte Owen endgültig aus der Bahn geworfen. Während des restlichen Abendessens hatte er kein Wort mehr gesprochen, dafür umso mehr getrunken, bis er schließlich so sternhagelblau gewesen war, dass er den kurzen Weg zu ihrem Bungalow kaum noch geschafft hatte.
»Und überleg dir nicht wieder stundenlang, was du anziehen sollst.« Owen machte Rhys’ Schrank auf und zog wahllos ein paar Hemden und Shorts heraus. »Diesen Engländerinnen, von denen ich dir erzählt hab, ist es nämlich scheißegal, was du anhast, die sind einfach nur heiß drauf, dich kennenzulernen. Du kannst dich später bei mir bedanken, dass ich die ganze Vorarbeit für dich geleistet habe.«
Rhys wünschte sich, Owen würde endlich aufhören, immer wieder von Hughs dämlichem Auftrag anzufangen. Aber angesichts Owens derzeitiger Verfassung musste er als bester Freund wohl zumindest so tun, als würde er bei der Sache mitspielen.
»Hat deine Mom den Koffer für dich gepackt?«, fragte Owen spöttisch, nachdem er die ordentlich in Reih und Glied hängenden Hemden und Naht auf Naht zusammengefalteten Shorts begutachtet hatte.
»Ha, ha.« Rhys griff nach einer Shorts und einem hellblauen kurzärmligen Hemd. Wenn mehr Zeit gewesen wäre, hätte seine Mutter tatsächlich für ihn gepackt. Sie hatte ihm vor seiner Abreise sogar noch eine kitschige Thanksgiving-Grußkarte in die Tasche gesteckt, als wäre er zu seinem ersten Tag in den All-Souls-Kindergarten aufgebrochen.
Rhys ging ins Badezimmer und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Nicht schlecht. Er verzichtete darauf, sich zu rasieren, rieb sich stattdessen nur mit ein bisschen Aftershave-Lotion von Acqua di Parma ein.
»Jetzt mach schon!« Owen klopfte ungeduldig an die Tür.
Rhys unterdrückte einen Seufzer, fuhr sich noch einmal kurz durch die Haare, dann folgte er Owen nach draußen, wo sie den verschlungenen Pfad zum Hotel einschlugen. Die Sonne warf hübsche wirbelnde Lichtmuster auf den sandigen Weg. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen, als wären sie Bestandteil einer Hintergrund-CD, und die sanfte Morgenbrise schuf das perfekte Klima. Mit dem richtigen Menschen an seiner Seite wäre es ein unglaublich romantischer Moment gewesen, dachte Rhys wehmütig und warf seinem übellaunigen Freund, der gerade mit fast brachialer Gewalt Muschelschalen aus dem Weg kickte, einen resignierten Blick zu. Es war nicht schwer zu erraten, dass Owen gerade an Remington und seine Mutter
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