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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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lassen sie so lange im Krankenhaus, wie es eben geht.«
      »Natürlich!« Kern dachte nach. »Ich muß dann eben in Genf
    auf sie warten. Ich kann sie ja ohnehin nicht mitnehmen. Ich werde ja abgeschoben.«
      Beer zog einen Brief aus der Tasche. »Hier! Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.«
      Kern griff hastig nach dem Brief – aber dann steckte er ihn in die Tasche. »Sie können ihn ruhig jetzt lesen«, sagte Beer. »Ich habe Zeit.«
      »Nein, ich lese ihn nachher.«
      »Dann gehe ich jetzt zum Krankenhaus zurück. Ich will ihr Bescheid sagen, daß ich Sie gesehen habe. Wollen Sie mir etwas mitgeben?« Beer zog einen Füllfederhalter und Briefpapier aus dem Mantel. »Ich habe alles mitgebracht.«
      »Danke. Danke vielmals!« Kern schrieb rasch einen Brief; es ginge ihm gut, Ruth möge rasch gesund werden. Wenn er vorher abgeschoben werde, wolle er auf sie in Genf warten. Jeden Mittag um zwölf Uhr vor der Hauptpost. Beer werde ihr alles noch genau sagen.
      Er legte den Zwanzigfrankenschein des Richters hinein und klebte den Umschlag zu. »Hier!«
      »Wollen Sie nicht erst den anderen Brief lesen?« fragte Beer.
      »Nein! Noch nicht. So schnell nicht. Ich habe doch den ganzen Tag nichts anderes.«
      Beer sah ihn überrascht an; dann steckte er den Brief ein. »Gut. Ich werde Sie in ein paar Tagen wieder besuchen.«
      »Bestimmt?«
      Beer lachte. »Warum denn nicht?«
      »Ja, das ist wahr! Jetzt ist ja alles in Ordnung. Wenigstens in der Beziehung. Die nächsten zwölf Tage kann nichts mehr dazwischenkommen. Keine Überraschungen. Das ist eigentlich ganz beruhigend.«
      Kern nahm den Brief Ruths in die Hände, als Beer draußen war. So leicht, dachte er, ein bißchen Papier und ein paar Tintenstriche und so viel Glück.
      Er legte den Brief auf die Kante seiner Pritsche. Dann machte er seine Übungen. Er boxte Ammers erneut nieder und gab ihm diesmal auch ein paar verbotene kräfige Nierenschläge. »Wir lassen uns mal nicht unterkriegen«, sagte er zu dem Brief hinüber und schickte Ammers mit einem schönen Schwinger gegen den Spitzbart abermals zu Boden. Er ruhte sich aus und unterhielt sich weiter mit dem Brief. Erst nachmittags, als es dämmerig wurde, öffnete er ihn und las die ersten Zeilen. Jede Stunde las er ein Stück weiter. Abends war er bis zur Unterschrif gekommen. Er sah die Sorge Ruths, ihre Angst, ihre Liebe und ihre Tapferkeit, und er sprang auf und schlug aufs neue auf Ammers ein. Dieser Kampf war allerdings nicht sehr sportgerecht … Ammers erhielt Ohrfeigen, Fußtritte, und zum Schluß wurde ihm der weiße Spitzbart ausgerissen.

    STEINER HATTE SEINE Sachen gepackt. Er wollte nach Frankreich. Es war gefährlich in Österreich geworden, und der Anschluß an Deutschland war nur noch eine Frage der Zeit. Außerdem rüstete der Prater und das Unternehmen Direktor Potzlochs zum großen Winterschlaf.
      Potzloch schüttelte Steiner die Hand. »Wir fahrenden Leute sind ja gewohnt, daß man sich trennt. Irgendwo trif man sich immer mal wieder.«
      »Bestimmt.«
      »Na also!« Potzloch griff nach seinem Kneifer. »Kommen Sie gut durch den Winter. Ich bin kein Freund von Abschiedsszenen.«
      »Ich auch nicht«, erwiderte Steiner.
      »Wissen Sie«, Potzloch zwinkerte, »es ist eine reine Gewohn
    heitssache. Wenn man so viele Leute hat kommen und gehen sehen wie ich … reine Gewohnheitssache zum Schluß. Als wenn man bloß mal von der Schießbude zum Ringelspiel hinübergeht.«
      »Ein schönes Bild! Von der Schießbude zum Ringelspiel … und vom Ringelspiel wieder zur Schießbude … sogar ein Bild zum Verlieben!«
      Potzloch schmunzelte geschmeichelt. »Unter uns gesprochen, Steiner … wissen Sie, was das Furchtbarste ist auf der Welt? Im Vertrauen gesagt: daß alles zum Schluß Gewohnheitssache wird.« Er hakte seinen Kneifer auf die Nase. »Sogar die sogenannten Ekstasen!«
      »Sogar der Krieg«, sagte Steiner. »Sogar der Schmerz! Sogar der Tod! Ich kenne jemand, dem sind in zehn Jahren vier Frauen gestorben. Jetzt hat er die fünfe. Sie kränkelt schon. Was soll ich Ihnen sagen, er schaut bereits in aller Ruhe nach der sechsten aus. Alles Gewohnheitssache! Nur der eigene Tod nicht.«
      Potzloch winkte flüchtig ab. »An den glaubt man ja nie ernstlich, Steiner. Nicht einmal im Krieg; denn sonst gab’s keinen mehr. Jeder glaubt immer, gerade er käme dran vorbei. Stimmt’s?«
      Er sah Steiner mit schiefem Kopf an. Steiner

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