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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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leuchtenden Kaskaden, krafvoll, ohne Mitleid und Anhalten, wie das Leben selbst.

    »KOMMEN SIE«, SAGTE Klassmann draußen. »Wir trinken noch einen Kaffee.«
      Sie setzten sich an einen Rohrtisch vor ein kleines Bistro. Kern war erleichtert, als er den bitteren, schwarzen Kaffee getrunken hatte.
      »Was ist die letzte Station?« fragte er.
      »Die letzte Station sind die vielen, die allein irgendwo sitzen und verhungern«, erwiderte Klassmann. »Die Gefängnisse. Die Untergrundbahnhöfe nachts. Die Neubauten. Die Brückenbogen der Seine.«
      Kern blickte auf den Menschenstrom, der vor den Tischen des Bistro sich unablässig entlangschob. Ein Mädchen mit einem großen Hutkarton am Arm lächelte ihn im Vorübergehen an. Sie drehte sich noch einmal um und warf ihm über die Schulter einen schnellen Blick zu.
      »Wie alt sind Sie?« fragte Klassmann.
      »Einundzwanzig. Bald zweiundzwanzig.«
      »Das habe ich mir gedacht.« Klassmann rührte in seiner Tasse. »Mein Sohn ist ebenso alt wie Sie.«
      »Ist er auch hier?«
      »Nein«, sagte Klassmann, »er ist in Deutschland.«
      Kern sah auf. »Das ist schlimm, das kann ich verstehen.«
      »Nicht für ihn.«
      »Um so besser.«
      »Für ihn wäre es schlimmer, wenn er hier wäre«, sagte Klassmann.
      »So?« Kern blickte ihn etwas verwundert an.
      »Ja. Ich würde ihn dann zum Krüppel schlagen.«
      »Was?«
      »Er hat mich denunziert. Ich mußte seinetwegen ’raus.«
      »Oh, verflucht!« sagte Kern.
      »Ich bin Katholik, gläubiger Katholik. Der Junge dagegen war schon ein paar Jahre in einer dieser Jugendorganisationen drüben von der Partei. Alter Kämpfer nennt man das da. Sie können sich denken, daß mir das nicht gepaßt hat und daß es manches Wort hin und her gab. Der Junge wurde immer aufsässiger. Eines Tages sagte er mir, so etwa wie ein Unteroffizier einem Rekruten, ich solle meinen Mund halten, sonst würde mir was passieren. Drohte, verstehen Sie. Ich haute ihm eine Ohrfeige herunter. Er rannte wütend weg und denunzierte mich bei der Staatspolizei. Gab Wort für Wort zu Protokoll, was ich über die Partei geschimpf hatte. Zum Glück hatte ich einen Bekannten dort, der mich sofort telefonisch warnte. Ich mußte schleunigst weg. Eine Stunde später kam schon ein Kommando, mich zu holen – an der Spitze mein Sohn.«
      »Kein Spaß«, sagte Kern.
      Klassmann nickte. »Wird aber auch kein Spaß für ihn sein, wenn ich mal wiederkomme.«
      »Vielleicht hat er dann selber einen Sohn, der ihn denunziert hat. Vielleicht dann bei den Kommunisten.«
      Klassmann sah Kern betroffen an. »Meinen Sie, daß es so lange dauert?«
      »Ich weiß nicht. Ich kann mir nicht denken, daß ich jemals zurückkomme.«

    STEINER BEFESTIGTE EIN nationalsozialistisches Parteiabzeichen unter dem linken Umschlag seines Jacketts. »Großartig, Beer!« sagte er. »Wo haben Sie das nur her?«
      Doktor Beer grinste. »Von einem Patienten. Autounfall kurz vor Murten. Ich schiente ihm seinen Arm. Erst war er vorsichtig und fand alles wunderbar drüben; dann tranken wir ein paar Kognaks zusammen, und er fing an zu fluchen auf die ganze Wirtschaf und vermachte mir sein Parteiabzeichen zur Erinnerung. Er mußte leider zurück nach Deutschland.«
      »Der Mann sei gesegnet!« Steiner nahm einen blauen Aktendeckel vom Tisch und öffnete ihn. Eine Liste mit einem Hakenkreuz und einige Propagandaaufrufe lagen darin. »Ich glaube, das genügt. Darauf fällt er zehnmal ’rein.«
      Die Aufrufe und die Liste hatte er von Beer, dem solche Dinge aus einem rätselhafen Grund seit Jahren von einer Parteior ganisation in Stuttgart zugeschickt wurden. Steiner hatte eine Auswahl getroffen und befand sich jetzt auf dem Kriegspfade gegen Ammers. Beer hatte ihm erzählt, was Kern passiert war.
      »Wann fahren Sie weiter?« fragte Beer.
      »Um elf. Vorher bringe ich Ihnen aber noch Ihr Abzeichen wieder.«
      »Gut. Ich werde mit einer Flasche Fendant auf Sie warten.«
      Steiner ging los. Er klingelte an der Haustür von Ammers. Das Dienstmädchen öffnete. »Ich möchte Herrn Ammers sprechen«, sagte er kurz. »Mein Name ist Huber.«
      Das Dienstmädchen verschwand und kam wieder. »In welcher Angelegenheit?«
      Aha, dachte Steiner, das ist Kerns Verdienst. Er wußte, daß Kern nicht gefragt worden war. »Parteisache«, erklärte er kurz.
      Diesmal erschien Ammers selbst. Er starrte Steiner neugierig an. Steiner

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