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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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schlecht für Sie«, sagte Steiner ermunternd. »Wir schicken die Liste mit den Namen natürlich nach Berlin. Ich denke, wir können Sie mit fünfzig Franken eintragen.«
      Ammers wirkte erleichtert. Er hatte mit mindestens hundert gerechnet. Er kannte die Unersättlichkeit der Partei. »Selbstverständlich!« erklärte er sofort. »Oder vielleicht sechzig«, fügte er hinzu.
      »Gut, also sechzig.« Steiner schrieb. »Haben Sie außer Heinz noch einen anderen Vornamen?«
      »Heinz, Karl, Goswin – Goswin mit einem s.«
      »Goswin ist ein seltener Name.«
      »Ja, aber echt deutsch! Altdeutsch. Ein König Goswin kam schon in der Völkerwanderung vor.«
      »Ich glaube es.«
      Ammers legte einen Fünfzig- und einen Zehnfrankenschein auf den Tisch. Steiner steckte das Geld ein. »Quittung ausgeschlossen«, sagte er. »Sie verstehen, warum!?«
      »Selbstverständlich! Geheim! Hier in der Schweiz!« Ammers zwinkerte schlau.
      »Und keinen unnützen Radau wieder, Parteigenosse! Lautlosigkeit ist der halbe Erfolg! Denken Sie also immer daran!«
      »Sehr wohl! Ich weiß Bescheid! Es war nur ein unglücklicher Zufall.«
      Steiner ging durch die verwinkelten Straßen zu Doktor Beer zurück. Er schmunzelte. Leberkrebs! Dieser Kern! Was für Augen er machen würde, wenn er die sechzig Franken von dieser Strafexpedition bekam!
    Es klopfe. Ruth horchte zur Tür hinüber. Sie war allein.
    Kern war seit vormittags unterwegs, um Arbeit zu su
              chen. Sie zögerte einen Moment. Dann stand sie leise auf, ging in Kerns Zimmer und schloß die Verbindungstür hinter sich ab. Die Zimmer lagen über Eck. Das hatte für Razzien einen Vorteil. Man konnte von jedem Zimmer auf den Korridor gelangen, ohne von jemand gesehen zu werden, der vor der anderen Tür stand.
      Ruth zog die Außentür von Kerns Zimmer lautlos zu. Dann ging sie den Korridor entlang um die Ecke.
      Ein Mann von etwa vierzig Jahren stand vor ihrer Tür. Ruth kannte ihn vom Sehen. Er wohnte im Hotel und hieß Brose. Seine Frau lag seit sieben Monaten krank zu Bett. Beide lebten von einer kleinen Unterstützung der Flüchtlingshilfe und von etwas Geld, das sie mitgebracht hatten. Das war kein Geheimnis. Im Hotel Verdun wußte jeder über jeden nahezu alles.
      »Wollen Sie zu mir?« fragte Ruth.
      »Ja. Ich wollte Sie um etwas bitten. Sie sind Fräulein Holland, nicht wahr?«
      »Ja.«
      »Ich heiße Brose und wohne im Stock unter Ihnen«, sagte der Mann verlegen. »Ich habe eine kranke Frau unten und muß fort, Arbeit suchen. Da wollte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht etwas Zeit hätten …«
      Brose hatte ein schmales, gequältes Gesicht. Ruth wußte, daß fast jeder im Hotel vor ihm davonlief, wenn er nur in Sicht kam. Er suchte dauernd nach Gesellschaf für seine Frau.
      »Sie ist sehr viel allein – und Sie wissen ja, wie das ist –, da verliert sie leicht die Hoffnung. Es gibt Tage, da ist sie besonders traurig. Aber wenn sie etwas Gesellschaf hat, ist es gleich besser. Ich dachte, daß Sie sich vielleicht auch gern einmal unterhalten. Meine Frau ist klug …«
      Ruth war gerade dabei, Pullover aus leichter Kaschmirwolle stricken zu lernen; man hatte ihr gesagt, ein russisches Geschäf in den Champs-Elysées kaufe so etwas, um es für den dreifachen Preis weiterzuverkaufen. Sie wollte weiterarbeiten und wäre wohl nicht gegangen – aber dieses hilflose Anpreisen: »Meine Frau ist klug« entschied. Es beschämte sie auf eine sonderbare Weise. »Warten Sie einen Augenblick«, sagte sie. »Ich hole ein paar Sachen; dann gehe ich mit Ihnen.«
      Sie holte ihre Wolle und ihr Muster und ging mit Brose hinunter. Die Frau lag im ersten Stock in einem kleinen Zimmer nach der Straße hin. Broses Gesicht veränderte sich, als er mit Ruth eintrat. Er strahlte angestrengt. »Lucie, hier ist Fräulein Holland«, sagte er eifrig. »Sie möchte dir gern etwas Gesellschaf leisten.«
      Zwei dunkle Augen in einem wachsbleichen Gesicht richteten sich mißtrauisch auf Ruth. »Ich gehe dann jetzt«, sagte Brose rasch. »Ich komme abends wieder. Heute wird es bestimmt etwas. Auf Wiedersehen.«

  Er lächelte, winkte und zog die Tür hinter sich zu.
      »Er hat Sie geholt, nicht wahr?« fragte die blasse Frau nach einer Weile.
      Ruth wollte zuerst etwas anderes antworten, aber dann nickte sie.
      »Ich habe es mir gedacht. Danke, daß Sie gekommen sind. Aber ich kann gut allein bleiben. Lassen Sie

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