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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Cadillac, sonst nichts!« Er vertiefe sich wieder in die schwarze Eleganz des riesigen Wagens auf der Drehscheibe.
      Waser sah verzweifelt um sich. Dabei erblickte er Kern und Ruth. »Hören Sie, Kern«, sagte er, »wenn Sie die Wahl hätten zwischen einem Cadillac oder einem neuen Talbot, was würden Sie nehmen? Doch den Talbot, was?«
      Rosenfeld drehte sich um. »Den Cadillac, natürlich, daran ist doch gar kein Zweifel!«
      Kern grinste. »Ich wäre schon mit einem kleinen Citroen zufrieden.«
      »Mit einem Citroen?« Die beiden Auto-Enthusiasten sahen ihn wie ein räudiges Schaf an.
      »Oder mit einem Fahrrad«, fügte Kern hinzu.
      Die beiden Fachleute wechselten einen raschen Blick. »Ach
    so!« meinte Rosenfeld dann, sehr abgekühlt. »Sie haben nicht viel Verständnis für Autos, wie?«
      »Auch wohl nicht für Autosport, was?« fügte Waser etwas angeekelt hinzu. »Nun ja, es gibt Leute, die interessieren sich für Briefmarken.«
      »Das tue ich!« erklärte Kern erheitert. »Besonders für ungestempelte.«
      »Na, dann entschuldigen Sie!« Rosenfeld schlug seinen Rockkragen hoch. »Kommen Sie, Waser, wir wollen noch die neuen Modelle von Alfa Romeo und Hispano drüben besichtigen.«
      Die beiden gingen, versöhnt durch den Ignoranten Kern, einträchtig in ihren abgeschabten Anzügen davon, um noch über einige Rennwagen zu streiten. Sie hatten Zeit dazu – denn sie hatten kein Geld für ein Abendessen.
      Kern sah ihnen erfreut nach. »Der Mensch ist ein Wunder, Ruth, was?«
      Sie lachte.

    KERN FAND KEINE Arbeit. Er bot sich überall an; aber selbst für zwanzig Francs am Tag konnte er nirgendwo unterkommen.
      Nach zwei Wochen war das Geld verbraucht, das sie besaßen. Ruth bekam von dem jüdischen und Kern vom gemischt jüdischchristlichen Komitee eine kleine Unterstützung; zusammen hatten sie etwa fünfzig Francs in der Woche. Kern sprach mit der Wirtin und erreichte, daß sie für diesen Betrag die beiden Zimmer behalten konnten und morgens etwas Kaffee mit Brot bekamen.
      Er verkaufe seinen Mantel, seinen Koffer und den Rest seiner Sachen von Potzloch. Dann begannen sie Ruths Sachen zu verkaufen. Einen Ring ihrer Mutter, Kleider und ein schmales goldenes Armband. Sie waren nicht sehr unglücklich darüber. Sie lebten in Paris, das war ihnen genug. Sie hofen auf den nächsten Tag und fühlten sich geborgen. In dieser Stadt, die alle Emigranten des Jahrhunderts aufgenommen hatte, wehte der Geist der Duldung; man konnte in ihr verhungern, aber man wurde nur so viel verfolgt, wie unbedingt notwendig war – und das erschien ihnen schon viel.
      Marill nahm sie an einem Sonntagnachmittag, als es keinen Eintritt kostete, mit in den Louvre. »Ihr braucht im Winter etwas, um eure Zeit hinzubringen«, sagte er. »Das Problem des Emigranten ist der Hunger, die Bleibe und die Zeit, mit der er nichts anfangen kann, weil er nicht arbeiten darf. Der Hunger und die Sorge, wo er bleiben kann, das sind zwei Todfeinde, gegen die er kämpfen muß – aber die Zeit, die viele leere, ungenutzte Zeit ist der schleichende Feind, der seine Energie zerfrißt, das Warten, das ihn müde macht, die schattenhafe Angst, die ihn lähmt. Die beiden andern fallen ihn von vorne an, und er muß sich wehren oder untergehen – aber die Zeit kommt von hinten und zersetzt ihm das Blut. Ihr seid jung. Hockt nicht in den Cafés, jammert nicht, werdet nicht müde. Wenn’s mal schlimm wird, geht in den großen Wartesaal von Paris: den Louvre. Er ist gut geheizt im Winter. Besser vor einem Delacroix, einem Rembrandt oder einem van Gogh zu trauern als vor einem Schnaps oder im Kreise ohnmächtiger Klage und Wut. Das sage ich euch, Marill, der auch lieber vor einem Schnaps sitzt. Sonst würde ich euch diese lehrhafe Rede nicht halten.«
      Sie wanderten durch das große Kunstdämmer des Louvre -vorbei an den Jahrhunderten, vorbei an den steinernen Königen Ägyptens, den Göttern Griechenlands, den Cäsaren Roms – vorbei an babylonischen Altären, an persischen Teppichen und flämischen Gobelins – vorbei an den Bildern der größten Herzen, an Rembrandt, Goya, Greco, Leonardo, Dürer – durch endlose Säle und Korridore, bis sie zu den Räumen kamen, wo die Bilder der Impressionisten hingen.
      Sie setzten sich auf eines der Sofas, die in der Mitte standen. Von den Wänden leuchteten die Landschafen Cezannes, van Goghs und Monets, die Tänzerinnen Degas’, die pastellhafen Frauenköpfe

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