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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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letzten Widerstände der Wirtin durch sein stummes Vorhandensein besiegen.

    STEINER GING ZUM Café Sperler. Er wollte den Russen Tschernikoff treffen. Sie hatten während der Haf verabredet, am ersten und zweiten Tag der Freilassung Steiners nach Mitternacht dort aufeinander zu warten. Die Russen hatten als Staatenlose fünfzehn Jahre Praxis mehr als die Deutschen. Tschernikoff hatte Steiner versprochen, nachzuforschen, ob in Wien falsche Papiere zu kaufen seien.
      Steiner setzte sich an einen Tisch. Er wollte etwas zu trinken bestellen; aber kein Kellner kümmerte sich um ihn. Es war nicht üblich, daß man etwas bestellen mußte; die meisten hatten kein Geld dafür.
      Das Lokal war die typische Emigrantenbörse. Es war voll von Menschen. Viele saßen auf den Bänken und Stühlen und schlie fen; andere lagen auf dem Fußboden, die Rücken gegen die Wand gelehnt. Sie nutzten die Zeit aus, umsonst zu schlafen, bis das Café wieder geöffnet wurde. Es waren meistens Intellektuelle. Sie konnten sich am wenigsten zurechtfinden.
      Ein Mann in einem karierten Anzug mit einem Vollmondgesicht setzte sich neben Steiner. Er beobachtete ihn eine Weile mit flinken, schwarzen Augen. »Was zu verkaufen?« fragte er dann. »Schmuck? Auch alten? Ich zahle bar.«
      Steiner schüttelte den Kopf.
      »Anzüge? Wäsche? Schuhe?« Der Mann blickte ihn dringlich an. »Einen Trauring vielleicht?«
      »Schieb ab, du Aasgeier«, knurrte Steiner. Er haßte die Händler, die den ratlosen Emigranten ihre wenigen Sachen für ein paar Groschen abjagen wollten.
      Er rief einen vorüberhuschenden Kellner an. »Hallo! Einen Kognak!«
      Der Kellner warf einen zweifelnden Blick auf ihn und kam heran. »Sagten Sie Anwalt? Heute sind zwei da. Drüben in der Ecke Rechtsanwalt Silber vom Kammergericht Berlin; ein Schilling die Beratung. Am runden Tisch neben der Tür Landgerichtsrat Epstein aus München; fünfzig Groschen die Konsultation. Unter uns: Silber ist besser.«
      »Ich will keinen Anwalt, ich will Kognak«, sagte Steiner.
      Der Kellner hielt die Hand ans Ohr. »Habe ich recht verstanden? Einen Kognak?«
      »Ja. Ein Getränk, das besser wird, wenn die Gläser nicht zu klein sind.«
      »Sehr wohl. Verzeihen Sie, ich bin etwas schwerhörig. Und dann bin ich es nicht mehr gewohnt. Hier wird fast nur Kaffee verlangt.«
      »Gut. Dann bringen Sie den Kognak in einer Kaffeetasse.«
      Der Kellner holte den Kognak und blieb am Tisch stehen. »Was ist los?« fragte Steiner. »Wollen Sie zusehen, wie ich trinke?«
      »Es muß vorher gezahlt werden. Das geht hier nicht anders. Wir würden sonst pleite gehen.«
      »Ach so, richtig!«
      Steiner zahlte. »Das ist zuviel«, sagte der Kellner.
      »Was zuviel ist, ist Ihr Trinkgeld.«
      »Trinkgeld?« Der Kellner schmeckte das Wort förmlich ab. »Mein Gott«, sagte er dann gerührt. »Das ist das erste seit Jahren hier. Danke vielmals, mein Herr! Da fühlt man sich ja direkt wieder einmal als Mensch!«
      Ein paar Minuten später kam der Russe durch die Tür. Er sah Steiner sofort und setzte sich zu ihm.
      »Ich dachte schon, Sie wären nicht mehr in Wien, Tschernikoff.«
      Der Russe lachte. »Bei uns ist das Wahrscheinliche immer unwahrscheinlich. Ich habe alles herausbekommen, was Sie wissen wollen.«
      Steiner trank seinen Kognak aus. »Gibt es Papiere?«
      »Ja. Sehr gute sogar. Das Beste, was ich an Fälschungen seit langem gesehen habe.«
      »Ich muß ’raus!« sagte Steiner. »Ich muß Papiere haben! Lieber mit einem falschen Paß Zuchthaus riskieren als diese tägliche Sorge und Einsperrerei. Was haben Sie gesehen?«
      »Ich war in der ›Hellebarde‹. Da verkehren die Leute jetzt. Es sind dieselben wie vor sieben Jahren. Sie sind in ihrer Art zuverlässig. Das billigste Papier kostet allerdings vierhundert Schilling.«
      »Was gibt es dafür?«
      »Den Paß eines toten Österreichers. Noch ein Jahr gültig.«
      »Ein Jahr. Und dann?«
      Tschernikoff sah Steiner an. »Im Ausland vielleicht verlängerbar. Oder von einer geschickten Hand im Datum zu ändern.« Steiner nickte.
      »Es gibt noch zwei Pässe von gestorbenen deutschen Flüchtlingen. Die kosten aber achthundert Schilling jeder. Völlig falsche sind nicht unter fünfzehnhundert zu haben. Die würde ich – Ihnen auch nicht empfehlen.«
      Tschernikoff klopfe seine Zigarette ab. »Vom Völkerbund ist für Sie ja vorläufig auf nichts zu hoffen. Für

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