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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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andern. Hier liegen sie, an dieser Seite. Der Mann wird staunen, wenn er plötzlich damit nur einen Zweier oder Dreier schießt. Bißchen weniger Pulver, verstehst du?«
      »Ja.«
      »Vor allem nie das Gewehr wechseln, junger Mann!« erklärte Direktor Potzloch, der wieder hinter ihnen stand. »Mit dem Gewehr sind die Brüder mißtrauisch. Mit den Kugeln nicht. Und dann die Balance! Gewonnen soll werden. Verdient aber muß werden. Das muß ausbalanciert werden. Wenn Sie das können, sind Sie ein Lebenskünstler. Nicht zuviel gesagt. Wer of schießt, hat natürlich ein Recht auf die dritte Etage.«
      »Wer fünf Schilling verpulvert hat, darf eine von den Bronzegöttinnen gewinnen«, sagte Steiner. »Wert einen Schilling.«
      »Junger Mann«, sagte Potzloch plötzlich mit pathetischer Drohung, »auf eins mache ich Sie aber gleich aufmerksam: auf den Hauptgewinn. Der ist ungewinnbar, verstehn S’? Er ist ein Privatstück aus meiner Wohnung: ein Prunkstück!«
      Er zeigte auf einen getriebenen, silbernen Obstkorb mit zwölf Silbertellern und Bestecken dazu. »Sie haben eher zu sterben, als einen Sechziger durchzulassen. Versprechen S’ mir das!«
      Kern versprach es. Potzloch wischte sich den Schweiß von der Stirn und haschte nach seinem Kneifer. »Allein schon der Gedanke!« murmelte er. »Meine Frau brächte mich um! Ein Erbstück, junger Mann«, schrie er, »ein Erbstück in dieser traditionslosen Zeit! Wissen S’ was ein Erbstück ist? Lassen S’ nur, Sie wissen es nicht …«
      Er sauste los. Kern sah ihm nach. »Nicht so schlimm«, sagte Steiner. »Unsere Gewehre stammen sowieso aus der Zeit der Belagerung Trojas. Und außerdem hast du Lilo zu Hilfe, wenn’s brenzlig wird.«
      Sie gingen zum Panorama der Weltsensationen hinüber. Es war eine Bude, die mit bunten Plakaten bedeckt war. Sie stand auf einem dreistufigen Podest. Vorn war ein Kassenhäuschen in Form eines chinesischen Tempels aufgebaut – eine Idee Leopold Potzlochs. Steiner wies auf ein Plakat, das einen Mann vorstellte, dem Blitze aus den Augen schossen. »Alvaro, das Wunder der Telepathie – das bin ich, Baby. Und du wirst mein Assistent werden.«

    SIE GINGEN IN die Bude hinein, die halbdunkel war und muffig roch. Einige Reihen leerer Stühle standen wie Gespenster unordentlich umher. Steiner stieg auf die Bühne. »Also paß auf! Irgend jemand im Zuschauerraum versteckt etwas bei einem andern; meistens sind es Zigarettenschachteln, Zündhölzer, Puderdosen oder sonderbarerweise Stecknadeln. Weiß der Himmel, wo die Leute immer die Stecknadeln herkriegen! Ich habe das zu finden. Ein interessierter Zuschauer wird heraufgebeten, ich fasse ihn bei der Hand und rase los. Entweder bist du das, dann führst du mich einfach hin, und je fester du meine Hand drückst, desto dichter bin ich bei dem versteckten Gegenstand. Leichtes Klopfen mit dem Mittelfinger bedeutet, daß es der richtige ist. Das ist einfach. Ich suche so lange, bis du klopfst. Höher oder tiefer zeigst du mir durch Auf- und Abbewegen der Hand.«
      Direktor Potzloch erschien mit Getöse im Eingang. »Lernt er’s?«
      »Wir wollen gerade probieren«, erwiderte Steiner. »Setzen Sie sich mal hin, Direktor, und verstecken Sie was an sich. Haben Sie eine Stecknadel bei sich?«
      »Natürlich!« Potzloch griff nach seinem Rockaufschlag.
      »Natürlich hat er eine Stecknadel!« Steiner drehte sich um. »Verstecken Sie sie. Und dann komm, Kern, und führe mich.«
      Leopold Potzloch nahm die Nadel mit einem listigen Blick und klemmte sie zwischen seine Schuhsohle. »Los, Kern!« sagte er dann.
      Kern ging zur Bühne und nahm Steiners Hand. Er führte ihn zu Potzloch, und Steiner begann zu suchen.
      »Ich bin kitzlig, Steiner«, prustete Potzloch und kreischte auf.
      Nach einigen Minuten fand Steiner die Nadel. Sie wiederholten das Experiment noch ein paarmal. Kern lernte die Zeichen, und die Zeit, bis Steiner Potzlochs Zündholzschachtel fand, wurde immer kürzer.
      »Ganz gut«, sagte Potzloch. »Übt das heute nachmittag weiter. Aber nun die Hauptsache: wenn S’ als Zuschauer aufreten, müssen S’ zögern, verstehen S’? Das Publikum darf keine Lunte riechen. Deshalb müssen S’ zögern! Machen Sie’s einmal, Steiner, ich werd’s ihm zeigen!«
      Er setzte sich auf einen Stuhl neben Kern.
      Steiner ging zum Podium. »Und nun bitte ich«, donnerte er mit Ausruferstimme in die leere Bude, »einen der geehrten Herrschafen, sich

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