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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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eines Filmstars! Wollen Sie mich ruinieren, Steiner? So viel zahlt man ja beinahe einem legal angemeldeten Arbeitsburschen«, fügte er friedlicher hinzu.
      »Ich bleibe auch ohne Geld«, erwiderte Kern rasch.
      »Bravo, junger Mann! So wird man Millionär! Nur der Bescheidene kommt vorwärts im Leben!« Potzloch blies schmunzelnd Luf durch die Nase und erhaschte seinen rutschenden Klemmer. »Aber Sie kennen Leopold Potzloch nicht, den letzten Menschenfreund! Sie bekommen Gage. Fünfzehn blanke Schilling im Monat. Gage, sagte ich, lieber Freund. Gage, nicht Gehalt! Ab heute sind Sie Künstler. Fünfzehn Schilling Gage sind mehr als tausend Gehalt. Kann er noch was Besonderes?«
      »Etwas Klavier spielen«, sagte Kern.
      Potzloch hakte den Klemmer energisch auf die Nase.
      »Können Sie leise spielen? Stimmungsmusik?«
      »Leise besser als laut.«
      »Gut!« Potzloch verwandelte sich in einen Feldmarschall. »Er soll irgendwas Ägyptisches üben! Bei der zersägten Mumie und der Dame ohne Unterleib können wir Musik brauchen.«
      Er verschwand. Steiner sah Kern kopfschüttelnd an. »Du bestätigst meine Teorie«, sagte er. »Ich habe die Juden immer für das dümmste und vertrauensseligste Volk der Welt gehalten. Wir hätten glatt dreißig Schilling ’rausgeholt.«
      Kern lächelte. »Du rechnest nicht mit einem: mit der panischen Angst, die ein paar tausend Jahre Pogrome und Getto gezüchtet haben. Daran gemessen, sind die Juden sogar ein tollkühnes Völkchen. Und schließlich bin ich nur ein elender Mischling.«
      Steiner grinste. »Na schön, dann komm. Mazzes essen! Wir wollen das Laubhüttenfest feiern. Lilo ist eine wunderbare Köchin.«
      Das Etablissement Potzloch bestand aus drei Abteilungen: einem Karussell, einer Schießbude und dem Panorama der Weltsensationen. Steiner führte Kern am Morgen gleich in einen Teil seiner Arbeiten ein. Er hatte den besseren Karussellpferden die Messingteile ihres Geschirrs zu putzen und das Karussell zu fegen.
      Kern machte sich an seine Arbeit. Er putzte nicht nur die Pferde, sondern auch die Hirsche, die sich im Takt wiegten, und die Schwane und die Elefanten. Er war so vertief, daß er nicht hörte, wie Steiner an ihn herantrat. »Komm, Kleiner, Mittagessen!«
      »Schon wieder essen?«
      Steiner nickte. »Schon wieder. Etwas ungewohnt, was? Du bist unter Künstlern; da herrschen die bürgerlichsten Sitten der Welt. Es gibt sogar nachmittags eine Jause. Kaffee und Kuchen.«
      »Ein Schlaraffenland!« Kern kroch aus einer Gondel vor, die von einem Walfisch gezogen wurde. »Mein Gott, Steiner!« sagte er. »Man könnte Angst kriegen, so wunderbar geht alles in der letzten Zeit. Zuerst in Prag – und jetzt hier. Gestern wußte ich noch nicht, wo ich schlafen sollte … und heute habe ich eine Stellung, eine Wohnung und werde zum Mittagessen abgeholt! Ich glaube es noch nicht!«
      »Glaub’s nur«, erwiderte Steiner. »Denk nicht nach, nimm’s! Alte Devise der fahrenden Leute.«
      »Hoffentlich dauert es noch ein bißchen!«
      »Es ist eine Lebensstellung«, sagte Steiner. »Mindestens für drei Monate. Bis es zu kalt wird.«
      Lilo hatte einen wackeligen Tisch in das Gras vor dem Wohnwagen gestellt. Sie brachte eine große Schüssel mit Gemüsesuppe und Fleisch und setzte sich zu Steiner und Kern. Es war helles Wetter mit einer Ahnung von Herbst in der Luf. Auf der Wiese waren Wäschestücke aufgehängt, zwischen denen ein paar gelbgrüne Zitronenfalter spielten.
      Steiner dehnte die Arme. »Eine gesunde Existenz! Und nun auf in die Schießbude.«
      Er zeigte Kern die Gewehre, und wie sie geladen wurden. »Es gibt zwei Arten von Schützen«, sagte er. »Die Ehrgeizigen und die Habgierigen.«
      »Wie im Leben«, meckerte Direktor Potzloch, der gerade vorüberstrich.
      »Die Ehrgeizigen schießen auf Karten und Nummern«, erläuterte Steiner weiter. »Sie sind nicht gefährlich. Die Habgierigen wollen etwas gewinnen.« Er zeigte auf eine Anzahl Etageren im Hintergrund der Bude, die mit Teddybären, Puppen, Aschbechern, Weinflaschen, Bronzefiguren, Haushaltungsgegenständen und ähnlichen Sachen gefüllt waren.
      »Sie sollen etwas gewinnen. Die unteren Etagen nämlich. Kommt einer aber an fünfzig Ringe heran, dann gerät er in die obersten Etagen, wo die Stücke zehn Schilling und mehr wert sind. Dann gibst du eine von Direktor Potzlochs Original-Zau berkugeln ins Gewehr. Sie sehen genauso aus wie die

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