Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
erfüllt. Gerade weil es der auserwählte Partner ist, tun Verletzungen besonders weh, gehen Schmerzen besonders tief, wiegen die Mängel besonders schwer.
Fliegt dieser Mensch nicht gerade auf Nimmerwiedersehen zurück nach Australien, sondern
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teilt mit uns die vier heimischen Wände, sorgen wir eben im Inneren für australischen Abstand: Auf keinen Fall dürfen wir die Türen zu unserem Herzen länger so weit offen lassen. Wir passen auf, wir sichern uns ab. Schließlich beginnen wir, aus Angst vor weiteren Verletzungen zu viel Nähe zum anderen ab2uwehren. Alles, was wir uns vom anderen wie einen sanften Quell der Erfüllung für unser Leben erhofften, müssen wir jetzt mit Kraft erkämpfen.
Das Ziehen und Zerren, das Gerangel um die jeweiligen Vorstellungen beginnt: Von dem, was uns am anderen gefiel, scheinen wir immer weniger zu bekommen, wollen wir aber immer mehr. Das, was uns verletzt, versuchen wir zu verändern, zu verdrängen oder abzuwehren. Jeder kämpft hier mit unterschiedlichen Mitteln, aber stets hat es was von Don Quichotte: Der eine räumt immer penibler die Wohnung auf, während der andere scheinbar immer rücksichtsloser alles rumliegen lässt. Der eine kommt immer später nach Hause, während der andere immer mehr auf heimische Mithilfe drängt.
Der eine zettelt immer häufiger eine Grundsatzdiskussion an, während der andere sich immer einsilbiger zurückzieht. Der eine fordert immer häufiger Sex, während der andere immer lustloser wird...
Zum Machtkampf gehört es genauso, sich dem Druck und den Erwartungen des anderen zu entziehen, wie mit ihm um die Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse zu rangeln. Ob mit einem zwanghaften Bedürfnis nach Ordnung und Klammern, hilflosem Entzug
durch
Chaos
und
Abwesenheit,
körperlicher
Verweigerung oder sexueller Gier - jeder versucht jetzt, die eigenen alten Ängste und Wunden so gut wie mög134
lich im Inneren zu schützen, während er draußen entweder seine Ideale von Beziehung, vom Leben und vom Partner durchzusetzen versucht oder hofft, den anderen in die eigene Richtung zu manipulieren. Meistens gewinnt diesen Kampf keiner von beiden. Stattdessen verhärten sich nun die Positionen.
Während einer immer heftiger nörgelt, entzieht sich der andere immer weiter. Aus der einstmals so besonderen und perfekten Ergänzung wird jetzt der Mensch, den es zu bezwingen oder dem es zu entfliehen gilt, weil er einem die meisten Schmerzen zufügt. Manchmal erkennen wir uns in der Machtkampfphase selbst nicht wieder: In unserer Enttäuschung schimpfen wir jetzt mehr über unseren Geliebten als über unseren ärgsten Feind. Haben wir vorher unseren Freunden noch erzählt, wie besonders und perfekt dieser Mensch doch ist, meckern
wir
jetzt
hilflos
über
dessen
grenzenlose
Rücksichtslosigkeit. Manchmal sind wir selbst erschrocken darüber, wie viel Wut und Abneigung wir gegen unseren Partner plötzlich entwickeln können. Wir sind entsetzt und verwirrt, dass wir nun - manchmal schon nach sehr kurzer Zeit - genauso abgrundtiefe Ablehnung, ja sogar Verachtung gegen den Menschen verspüren, wie wir ihn in Zeiten der Verliebtheit noch vergöttert haben. Schließlich fühlen wir uns von unserem Partner verraten, oder wir machen uns selbst Vorwürfe, nicht richtig hingesehen zu haben oder von ihm geblendet worden zu sein.
Immer mehr Menschen trennen sich bereits in dieser Phase.
Und immer mehr Menschen finden sich mit neuen Partnern nur noch schneller, aber genauso hoffnungslos in dieser 135
Phase wieder. »Schon wieder der Falsche!«, resignieren sie, ohne die Zusammenhänge von Aufstieg und Fall aus der Verliebtheit in die Realität und schließlich in den Machtkampf zu verstehen. Und ohne zu ahnen, wie viele Möglichkeiten zur Erweiterung und Heilung der eigenen Persönlichkeit gerade hier verborgen liegen, weil der andere einem die Chance bietet, über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen.
Der Steppenwolf und die Klette
Wer den Machtkampf aushält und übersteht, ohne sich zu trennen, aber auch ohne ihn wirklich verstanden und genutzt xu haben, gerät prompt ins nächste Dickicht: die Phase von Abhängigkeit und Unabhängigkeit. Beide Partner finden sich langsam damit ab, dass alles nicht wirklich so ideal, so lebendig und im Fluss ist, wie sie am Anfang dachten. Sie bleiben auf Distanz und beginnen sich in ihren gegensätzlichen
Rollen
einzurichten,
feste
Positionen
einzunehmen. Jeder rangelt dabei auf seine Weise um die am
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