Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
wenigsten verletzliche und sichere Position. Das ist eine bevorzugt distanziert unabhängige Position, die sich nach all den Machtkämpfen eher wie Erholung anfühlt. Da geht es darum, möglichst
erfolgreich,
möglichst
viel
weg,
möglichst
unabkömmlich, möglichst anerkannt oder möglichst begehrt zu sein. Meist endet die Machtkampfphase mit einem hartnäckigen Gerangel um diese Unabhängigkeit. Nach all den Enttäuschungen und Verletzungen scheint man von hier aus endlich wieder eine gewisse Kontrolle über sein Leben zu bekommen. Von 136
hier aus kann man den Partner dazu bringen, die Dinge doch so zu tun, wie man sie will. Sonst entzieht man sich eben einfach und macht nicht mehr mit. Natürlich geht es auch in dieser Phase der Beziehung auf einer tieferen Ebene wieder nur darum, die inneren Konflikte beider Partner ins Gleichgewicht zu bringen. Deshalb greifen auch hier die Dinge wieder ineinander. Sobald einer erst mal weit genug in die scheinbar sichere Unabhängigkeit gegangen ist, findet der andere sich zwangsläufig in der Rolle des nach Nähe suchenden Abhängigen wieder. »Ich will heute nicht, ich kann morgen nicht, ich weiß nicht, ich muss weg...« sorgt für »Komm doch endlich nach Hause, sei doch einmal zärtlich, tanz doch nicht immer mit den anderen, kümmere dich doch mal um die Kinder...«
Während der Verliebtheit war noch alles symbiotisch verschmolzen. Diese scheinbare Nähe verwandelt sich in ein verwirrendes Gefühl von Ent-Täuschung oder von Angekettetsein.
Die Partner verheddern sich im Durcheinander des Machtkampfes, wo es selten wahre Sieger gibt. Und so wandert die Beziehung von hier aus in die Polarisierung. Je weiter einer der Partner sich verschließt, nicht mehr auf Worte oder Gefühle reagiert, desto intensiver muss sich der andere nach ihm strecken, versuchen, ihn zu erreichen oder ihn zu bezwingen. Diese Rollenverteilung bedingt sich gegenseitig, kann sich im Laufe einer Beziehung aber auch vertauschen: Uwe hat Gesa hartnäckig erobern müssen. Während der ersten Ehejahre ist er bei jeder Feier eifersüchtig auf seine von allen so begehrte Frau. Dann wird Gesa Mutter und findet sich damit schlagartig in die Abhängigkeit katapultiert. Nun 137
wartet sie immer häufiger beunruhigt auf Uwes Heimkehr und wirft ihm vor, mit seinem Job verheiratet zu sein. Das ändert sich erst, als sie selbst wieder arbeitet und beruflich erfolgreich ist.
Nur von außen betrachtet wirkt es so, dass in diesem Abhängigkeits-Unabhängigkeits-Spiel einer von beiden in der schlechteren Position ist. In Wahrheit befindet sich der scheinbar unabhängige
Steppenwolf
in
einer
mindestens
ebenso
unbefriedigenden Lage wie die abhängige Klette. Gerade der Partner, der sich zurückzieht und nicht mehr erreichbar zu sein scheint, tut dies unbewusst, um nicht weiter mit seiner großen Verletzlichkeit und seiner unverarbeiteten Angst vor Ablehnung und Bedürftigkeit konfrontiert zu werden. Nicht selten entpuppen sich
einsame
Steppenwölfe
als
zärtlichkeitsbedürftige,
empfindliche Seelchen. Und nicht selten träumen jammernde Kletten heimlich davon, vom Zigarettenholen nicht mehr zurückzukommen. Meist funktioniert diese Rollenverteilung wie ein Teufelskreis: Einer lässt sich nicht ein, will nicht zusammenziehen, nicht heiraten, will keinen gemeinsamen Urlaub planen, bloß kein gemeinsames Weihnachtsfest oder andere verbindliche Rituale teilen. So wenig wie er die Verantwortung im Alltag übernehmen will, so wenig kann er dem anderen weder durch Worte noch durch Gesten seine Liebe zeigen. Dies unterbindet er unbewusst aus Angst vor Verlust und Ablehnung, aber gleichzeitig auch aus Angst vor Bedürftigkeit. Um ja nichts zu brauchen, zieht er sich auf die unabhängige Position zurück und sagt: »Mal sehen, vielleicht...«
Das verunsichert und enttäuscht seinen Partner, der dar138
aufhin mit Klammern und Jammern, mit genau der Bedürftigkeit und Verletzung reagiert, die der scheinbar Unabhängige partout nicht erleben wollte. Verrückter- (oder besser präziser-)weise erinnert ihn dies aber unbewusst nur noch stärker an seine eigenen Ängste und lässt ihn nur noch weiter zurückschrecken.
Darauf reagiert natürlich prompt der offensichtlich so Abhängige mit noch mehr Jammern und Klammern. Dabei lässt aber auch er sich nur vermeintlich ein. Auf eine gewisse Weise instrumentalisiert er den anderen zum Löcherstopfen, will er ihn als Quelle der Befriedigung nutzen. Auch wenn er
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