Liebe die bleibt
ein Fremdwort.
Zu jener Zeit schrieb ich einen Bericht über Frauen, die ihre Kinder auf Eis legen. Das heißt: ihre Eizellen einfrieren lassen, um später darauf zurückzugreifen, und damit die Angst umgehen, im fortgeschrittenen Alter keine Kinder mehr bekommen zu können. Der damit verbundene Aufwand war ein ziemlich kostspieliges Verfahren, wie ich von den Frauen erfuhr. Diese Tatsache versuchte ich in meinem Artikel herunterzuspielen. Es gehörte nun mal zu meinen Aufgaben, gutmütige Berichte zu verfassen, Hoffnungen zu schüren, statt sie zu untergraben. Also verschwieg ich den Kostenaufwand, der auch an meinen Hoffnungen nagte. So brachte ich einen zehnseitigen Artikel mit Recherche, Fotos und Interviews zusammen. Ein paar Tage vor Weihnachten war meine Arbeit beendet, der Artikel abgeschlossen. So hatte ich zumindest beruflich den Kopf frei und brauchte mir nur noch den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich die Vorweihnachtszeit und die Feiertage möglichst unbeschadet überstehen könnte. Also begann ich, die bevorstehenden Tage zu planen. Ich schrieb mir eine Liste.
21. Dezember
9.00 Uhr - aufstehen und frühstücken (Brötchen auftauen)
9.30 Uhr - in die Schwimmhalle fahren (Bikini einpacken)
12.00 Uhr - Mittagessen zu Hause (Fertigmenü auftauen)
12.30 Uhr - Grünpflanzen gießen (Palmen düngen)
13.00 Uhr – 2 0.00 Uhr - Schlittschuhlaufen lernen
2 0.30 Uhr – 21.00 Abendessen (Pizza auftauen)
2 1.30 – 24.00 Uhr Buch lesen (Titel: Sommerliebe)
Danach: Nachtruhe (Schlaftablette auf eine halbe reduzieren)
Der 22. Dezember
9.00 Uhr - aufstehen und frühstücken (Brötchen auftauen)
9.30 Uhr - in die Schwimmhalle fahren (neuen Bikini einpacken)
12.00 Uhr - Mittagessen zu Hause (Fertigmenü auftauen)
12.30 Uhr - Reisebüro (Sommerurlaub planen)
14.00 Uhr - 20.00 Uhr - Schlittschuhlaufen (ohne Gehhilfe)
20.30 Uhr - 21.00 Abendessen (Lasagne auftauen)
21.30 - 24.00 Uhr - Roman weiterlesen
Danach: Nachtruhe (halbe Schlaftablette)
Die Tage vom 23 – 26. Dezember folgten nach dem gleichen Schema. Nur die Fertigmenüs und die Lektüre der Bücher änderten sich. Trotzdem war ich froh, einen Plan zu haben, an den ich mich klammern konnte, der mich auf andere Gedanken brachte, mich mit neuen Eindrücken versorgte und mich vor alten Erinnerungen schützte. Also versuchte ich, meiner Planung etwas Positives abzugewinnen und zog mein Vorhaben diszipliniert durch.
Auf das Schlittschuhlaufen freute ich mich besonders. Endlich konnte ich mir einen Kindheitstraum erfüllen . Dass die Eishalle täglich bis 22.00 Uhr geöffnet hat, war ein weiterer Aspekt, der mich gütlich stimmte. Wenn es hart auf hart käme, so dachte ich, könnte ich hier den bevorstehenden Heiligabend totschlagen, mich körperlich schinden, so dass sich dann todmüde ins Bett falle.
5. Kap itel
Es war später Mittag, als ich am 21. Dezember in der Eishalle eintraf. Sie war weihnachtlich geschmückt, aber darauf war ich ja vorbereitet. Tunlichst ignorierte ich den Weihnachtsbaum mit den bunten Kugeln, der im Eingangsbereich um Aufmerksamkeit buhlte. Auch das Tannenzeug mit der brennenden Kerze, welches die Ausleihtheke zierte, übersah ich stur. Meine Bewunderung galt den schönen Schlittschuhen, die mir die nette Dame überreichte, und der Eisfläche und der mitreißenden Musik, die aus den Lautsprechern dröhnte. Gewöhnliche Popmusik. Balsam für meine Ohren. Weit und breit keine schlittschuhlaufenden Weihnachtsmänner in Sicht, keine blonden Engelein, die ihre Pirouetten drehten, nichts weiter, als junge Leute, die sich beschwingt zu modernen Rhythmen bewegten. So näherte ich mich beflügelt der Eisfläche und hoffte innständig, dass ich mich beim Schlittschuhlaufen nicht allzu ungeschickt anstellte, mich auf den Kufen halten würde, ohne permanent auf den Hintern zu fallen und den anderen Eisläufern wie ein Stolperstein im Weg herumzuliegen.
So schwer kann das doch nicht sein, dachte ich, während ich die vielen Kinder auf dem Eis ihre Runden drehen sah. Als ich mit meinen Schlittschuhen auf der Eisfläche stand, wurde ich eines Besseren belehrt. Ich war eine blutige Anfängerin und dazu musste ich stehen, und zwar krumm. Ich drückte mich zwei Stunden lang an der Bande herum, übte mit einer Gehhilfe und passte höllisch auf, dass mich niemand übersah, schließlich wusste ich nun, wie es sich anfühlte, wenn man auf dem Hosenboden landete.
Zwei Stunden brauchte ich, bis ich mich einigermaßen auf
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