Liebe die bleibt
hatte seine Kostümierung abgelegt und kniete vor der Feuerstelle. Eifrig bemüht, für ein warmes Nest zu sorgen, uns kräftig einzuheizen. Eine Tatsache, kein Wunschdenken. Die langen Ärmel seines schwarzen Wollpullovers hatte er über die Ellenbogen gestreift, seine verwaschene Jeans spannte an den Oberschenkeln, das Hinterteil der Jeans war leicht über seinen knackigen Po gerutscht, der Ansatz einer schwarzen Unterhose blitzte hervor. Augustins wellige Haare hingen ihm wie ein Vorhang seitlich herab. Sie glänzten wie Gold. Ich wusste wie sich sein Haar anfühlte, kraftvoll und geschmeidig, dieses Gefühl war in meinen Fingerspitzen verewigt. Wie verhext starrte ich ihn an, als wäre er der Teufel mit den goldenen Haaren. Ich spürte, wie mir eine Gänsehaut den Rücken hinabkroch und sich wieder das Kribbeln in meinem Unterleib ausbreitete. Dieses prickelnde Ziehen, das meinen Slip in ein Feuchtbiotop verwandelte. Gierig kreisten meine Augen über seinen athletischen Körper. Es gelang mir nicht, mich diesem Augenschmaus zu entziehen.
Diesen famosen Anblick muss ich verewigen, dachte ich.
Mit meiner Kamera. Die kann im Sekundentakt Dutzende Aufnahmen hintereinander schießen. Dadurch entstehen wahrhaftige Bilder. Das Model hat keine Zeit, sich eine Mimik zurechtzulegen. Für ein paar Sekundenbruchteile ist es das Opfer eines gierigen Blicks, dem die Kamera ein harmloses Gesicht gibt. Das Model kann nichts vorgaukeln, es offenbart seine Seele, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn ich die Bilder übereinanderlege und zusammenklammere, habe ich ein Daumenkino, und wenn ich mit meinem Daumen dann die Bilder schnell durchblättere oder mir am Computer eine Diashow der Aufnahmen einrichte, erwachen die Bilder zum Leben. Es entsteht eine spannende Sequenz, viel reizvoller als es ein Videofilm wäre. Ich kann mich in die Vergangenheit, Zukunft oder Gegenwart blättern. Wenn ich den Daumen stoppe, kann ich die Zeit anhalten. Das hat etwas Magisches.
Beinahe apathisch griff ich zum Fotoapparat, der in Reichweite lag und knipste los. Augustin schreckte kurz auf. Er hatte keine Zeit zu posieren. Wegen des Blitzlichts kniff er kurz die Augen zusammen und blickte überrascht, dann strahlte er mich an und warf seine Haare in den Nacken.
Als ich fertig war, bedankte ich mich.
„Für was?“, fragte er.
„Für den Augenblick“, sagte ich und zupfte etwas verlegen am Tannengesteck.
Augustin folgte meine r Geste.
„Das ist schön. Hast du das selbst gemacht ?“
„Ja, habe ich“, erwiderte ich geschmeichelt. „Das ist für meine Eltern, fürs Grab…“ Augenblicklich fiel mir die übrig gebliebene Kerze ein.
„Aber es fehlt noch eine Kerze, es müss ten vier sein“, sagte ich bedeutungsvoll, während ich das vierte Windlicht herbeischaffte und in das Gesteck mit ein paar Handgriffen einfügte.
Augustin hatte sich mittlerweile aufgerichtet, warf sich seine Haare in den Nacken und kam auf mich zu. Aber statt sich neben mich auf das Sofa zu setzen, ging er in die Hocke, nahm meine Hände in die seinen und schaute mir mitfühlend in die Augen.
„Du möchtest sie sicher heute besuchen, nicht wahr?“
Ich nickte überzeugt.
„Würdest du mich begleiten?“
„Sehr gern“, flüsterte er. Dabei führte er sanft meine Hände an seine Lippen, küsste sie zärtlich und lächelte mich an. „Übrigens, was duftet hier so lecker?“
„Der Weihnachtsbraten“, erwiderte ich feierlich. „Aber der braucht noch eine Weile, mindestens zwei Stunden. Vorher schmücken wir den Weihnachtsbaum, decken schon mal den Tisch und dann gehen wir auf den Friedhof und wenn wir zurückkommen, zünden wir die Kerzen am Christbaum an und dann können wir essen…“
„Und dann ?“, unterbrach mich Augustin verschmitzt.
„Dann liest du mir eine Weihnachtsgeschichte vor…“
„Und dann?“
Dann schauen wir uns ein Weihnachtsmärchen im Fernsehen an… Drei Nüsse für Aschenbrödel… Das schaue ich mir jedes Jahr an, das ist so romantisch.“
„ Und dann?“, ließ er nicht locker, wobei er meine Wange streichelte und mich zärtlich küsste. Ganz sanft und beinahe zögerlich, berührten seine warmen Lippen die meinen. Ganz so, als hätte er Angst, dass ich mich seinen Zärtlichkeiten entziehen könnte. Ich schloss die Augen, streichelte ihm durch die Haare, presste meine Lippen fester an die seinen.
„…und dann…“, flüsterte ich frivol, „…dann werden wir sehen, was uns noch so einfällt… lass dich
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