Liebe im Gepäck (German Edition)
daran, dies ihren alten Freund nicht auch spüren zu lassen: »Und, was werden wir morgen um zehn Uhr machen, wenn du uns abholst?«, erkundigte sie sich. »Ich habe keine Lust auf weiteres Sightseeing. Kannst du nicht doch noch einmal versuchen, einen Termin bei Yu Yi zu bekommen?«
»Ich werde mein Bestes tun, Franzi, glaube mir, aber ich kann auch nichts erzwingen.«
Er stieg wieder in den weißen Kleinbus und fuhr davon.
Franziska und Harry betraten die Hotelhalle.
»Also dann, es war ein langer Tag, und ich bin müde. Ich werde mir etwas zu essen aufs Zimmer bringen lassen …«
»Ich möchte den Koffer sehen«, erklärte Harry, ohne auf ihre Worte einzugehen.
Franziska starrte ihn mit großen Augen an: »Aber der steht bei Kaufmann. Und Kaufmann ist mit den Russen unterwegs.«
»Wie soll ich mir Gedanken um die Vermarktung des Koffers machen, wenn ich ihn noch nie gesehen habe? Ich kann mir gar nichts unter deinem Patent vorstellen.«
»Wer sagt denn, dass du dir Gedanken um die Vermarktung machen sollst?« Jetzt war Franziska ehrlich erstaunt.
»Bin ich nun ein Werbemensch oder nicht? Und wenn ich schon da bin und wenn ich schon versprochen habe, dir zur Seite zu stehen, dann möchte ichauch die Details kennen. Außerdem bin ich noch viel zu aufgewühlt, um schlafen zu gehen. Und ich denke nicht daran, mir irgendein Essen aufs Zimmer bringen zu lassen. Also, wo finden wir das Büro von diesem Kaufmann?«
»Gar nicht so weit weg, vielleicht zwanzig Minuten mit dem Taxi. Das kommt auf den Verkehr an.« Franziskas Müdigkeit war wie weggewischt. Mat hatte ja Recht, worauf sollten sie warten? Sie war da, Mat war da, was hielt sie ab, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen? Lukas war schließlich nur irgendein Aushilfs-Fremdenführer. Sie brauchten ihn nicht. »Warte kurz.« Sie kramte in ihrer geräumigen Tasche und zog eine Visitenkarte heraus. »Da, sieh her, das ist Kaufmanns Visitenkarte, und hier ist die Adresse auch in chinesischen Schriftzeichen angegeben. Also, wenn du wirklich willst, dann fahren wir zu seinem Büro. Vielleicht ist ja noch jemand da.«
Sie machten kurz entschlossen kehrt und baten den Pagen, der ihnen eben erst beim Eintreten die Tür aufgehalten hatte, ein Taxi zu rufen. Der tat das mit einem lauten Pfiff und einem energischen Winken. Ein Wagen fuhr vor, sie hielten dem Fahrer die Visitenkarte mit den chinesischen Schriftzeichen unter die Nase, dieser nickte, und sie machten sich auf den Weg.
Bis zu Kaufmanns Büro brauchten sie, wie Franziska geschätzt hatte, ungefähr zwanzig Minuten. Harry schaute aus dem Wagen und betrachtete das lebhafte Treiben in den Straßen. Dass sich so viele Menschen auf den Gehsteigen drängten, hatte er noch nirgendwo gesehen. Und dann noch die unzähligen Fahrräder auf dem Fahrradstreifen! Fahrradstreifen konnte man dasgar nicht nennen, der Streifen war so breit wie eine Fahrbahn. Sie kamen an großen Hotels vorbei, eines davon war das Hotel Kempinski.
»Sieh an, hier gibt es ein deutsches Hotel. Das ist ja interessant.« Und dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, bat Harry: »Könntest du mir einen Gefallen tun, Franziska?«
»Aber sicher, Mat. Bei all den Gefallen, die du mir tust, bin ich dir so manches schuldig.«
»Würdest du in das Hotel hineingehen und für mich deutsche Zeitschriften und Zeitungen holen? Alles, was du auftreiben kannst?«
Franziska nickte: »Natürlich kann ich das. Aber, ehrlich gesagt, verstehe ich dich nicht ganz. Was hält dich ab, dir diese Zeitungen selbst zu holen? Dann kannst du aussuchen, welche genau du möchtest.«
Harry hatte keine Lust, ihr zu erklären, was er fürchtete. In einem deutschen Hotel waren sicher auch deutsche Touristen. Und unter diesen sicher jemand, der ihn erkannte. Ein Telefonat nach Deutschland genügte, und die gefräßige Meute hatte wieder etwas, um sich das Maul zu zerreißen.
»Frag nicht. Glaub mir, ich habe meine Gründe.«
Sie bedeuteten dem Taxifahrer mit Händen und Füßen, einen kurzen Zwischenstopp einzulegen, und Franziska stieg aus, um im Zeitungsgeschäft in der Halle des Kempinski die gewünschten Blätter zu besorgen. Harry drückte sich währenddessen in die hinterste Ecke des Rücksitzes und hoffte, von keinem deutschen Touristen gesehen zu werden.
Franziska kam zurück und legte ihm eine Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und eine Ausgabe der Bild auf den Rücksitz. »Mehr war nicht aufzutreiben. Aber sie bekommen jeden Tag neue Lieferungen. Wenn du
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