Liebe im Gepäck (German Edition)
eine knappe Viertelstunde nach Lukas. Er telefonierte nicht, sondern war in ein Gespräch mit dem Fahrer vertieft. Er sprach mit erhobener Stimme und befehlendem Ton, der Fahrer argumentierte mit Händen und Füßen. Als Luke Franziska sah, brach er das Gespräch umgehend ab und hielt ihr mit großartiger Geste die Wagentür auf: »Madame, darf ich bitten?«
Sie erreichten Peking erst gegen siebzehn Uhr. Der Wagen hatte auf offener Landstraße eine Panne gehabt. Am Motor war ein Schaden aufgetreten, und es dauerte geraume Zeit, bis der Fahrer Hilfe holen konnte. Franziska, Harry, Lukas und der schweigsame Übersetzer verbrachten mehr als drei Stunden in einem Dorfwirtshaus an der Strecke. Es gab warme Coca Cola aus der Dose. Von einem Kühlschrank war weit und breit nichts zu sehen. Franziskas Hunger war aufgrund dieser Tatsache mit einem Schlag verschwunden, und auch Harry hatte wenig Lust auf Essen. Wer wusste schon, wie ein westlicher Magen eine Mahlzeit vertragen würde, deren Zutaten ohne Kühlung gelagert wurden?
Sie sprachen nicht viel. Lukas grinste ab und zu Verzeihung heischend in die Runde. Franziska war sichtlich nervös und klopfte mit dem Lippenstift Rhythmen auf die Tischplatte. Harry verzog sich an einen der hinteren Tische, um ein deprimiertes Lied zu schreiben.
Kurz vor vierzehn Uhr stand Lukas auf, um in der Firma Yu Yi anzurufen und Franziska und ihren Rechtsanwalt zu entschuldigen.
Der Übersetzer rückte beflissen an Franziskas Stuhl heran, um ihr das Telefonat simultan zu übersetzen. Sie machte Lukas ein Zeichen, dass sie noch etwas ergänzen wollte, doch der hatte bereits den roten Knopf auf seinem Handy betätigt.
»Warum hast du nicht gleich einen neuen Termin vereinbart?« Franziska konnte ihn nicht verstehen. »Du hättest doch für morgen Vormittag bereits ein neues Treffen arrangieren können! So viel Chinesisch kannst du doch, oder nicht?«
»Ich hätte es versucht«, erklärte Lukas sichtlich beleidigt, »aber die Dame am Telefon hatte bereits gesagt, dass die zuständigen Herren morgen keinen Termin mehr frei hätten. Glaubst du, mir ist es angenehm, hier in diesem Dorfwirtshaus zu sitzen? Es ist ja nicht meine Schuld, dass das Auto liegen geblieben ist.«
»Wir hätten überhaupt nicht zur Mauer hinausfahren sollen! Es war eine Schnapsidee, an einem Tag, an dem man ein wichtiges geschäftliches Meeting hat, so weit wegzufahren. Ich hatte angenommen, die Mauer sei direkt hinter der Stadtgrenze.«
»Es sind nur siebzig Kilometer!«
»Ha, nur siebzig Kilometer! Die kann ich jetzt auch nicht zu Fuß gehen. Ich könnte diesen Kaufmann erwürgen. Du kannst mir glauben, dass ich bei der Abrechnung seines Honorars nicht vergessen werde, dass er mich hat hängen lassen.«
Ihre Stimme war lauter geworden, und die chinesischen Kellnerinnen, die kichernd hinter dem Tresen standen und die fremden Gäste beobachteten, starrten sie mit offenem Mund an.
»Es besteht kein Grund zu brüllen«, sagte Lukas in ruhigem Tonfall, »brüllen ist hierzulande verpönt. Wer brüllt, verliert das Gesicht.«
»Spar dir deine weisen Sprüche«, entgegnete Franziska ungeduldig, aber sichtlich um einen ruhigeren Ton bemüht. Innerlich war sie weit weniger selbstsicher, als sie nach außen hin vorgab. Sie hatte schon so viel Geld in ihr Vorhaben gesteckt. Sie hatte ihre ganze Energie, ihre ganze Zeit, alle ihre Träume in das Koffergeschäft investiert. Vor ihrer Abreise hatte doch alles noch so gut ausgesehen. Was war nur los?
Kaufmann war doch sonst immer pünktlich gewesen. Und sie hatte ihm sein Honorar stets fristgerecht überwiesen. Was konnte das für eine wichtige Delegation sein, die ihn davon abhielt, den Vertrag mit ihr ordnungsgemäß zu erfüllen? Wie viel lieber hätte sie jetzt Kaufmann an ihrer Seite gehabt als Lukas, der nicht einmal im Stande war, eine Terminvereinbarung für sie zu treffen! Lukas Bares war ein lieber Kerl, keine Frage, und sie waren schon so lange befreundet. Lukas war der erste Mann in ihrem Leben gewesen, ihre erste große Liebe.
Sie blickte ihn von der Seite an. Er sah jetzt noch besser aus als früher. Liebte sie ihn noch? Könnte sie sich vorstellen, mit ihm wieder etwas anzufangen?
Harry blickte von seinen Noten auf, die er auf seinen Notizblock gekritzelt hatte, und sah Franziskas Blick. Dieser Blick ging ihm durch Mark und Bein. Franziska liebte diesen Mann, das erkannte er sofort. Er seufzte. Energisch riss er sich zusammen. Was ging es ihn denn an, wen
Weitere Kostenlose Bücher