Liebe im Gepäck (German Edition)
Vorhänge schmückten die Fensterfront. Viele kleine Aquarellbilder zeigten chinesische Landschaften in Pastelltönen, ihre Rahmen waren von glänzendem Schwarz wie der Flügel und wie auch die Bar, hinter der zwei chinesische Kellner in gestärkten weißen Jacken gerade Gläser polierten und in ein Regal stellten.
Von Mat war keine Spur zu sehen.
Der Pianist spielte eine Melodie, die sie nicht kannte. Sie klang weich und einschmeichelnd, und Franziska wünschte sich inständig, Mat wäre hier. Um mit ihr gemeinsam diese Melodie zu genießen.
Wo er bloß war? Und warum hatte der Portier sie hergebracht? Das konnte nur ein Missverständnis sein.
Sie machte kehrt, um die Tür zu öffnen, da änderte der Pianist die Melodie und stimmte die »Kleine Nachtmusik« von Mozart an. Das war nun doch etwas überraschend. Franziska stutzte, drehte sich zögernd um und ging langsam um den Flügel herum.
Und da war er. Mat. Und der berühmte Blick. Und sie hätte sich ihm gern, so wie er da saß, in die Arme geworfen.
Doch da waren die Kellner. Und keine Anzeichen seinerseits, dass er sie in seinen Armen erwartete. Also nahm sie neben ihm auf dem zweiten Klavierhocker Platz.
»Schön, dass du da bist. Ich habe auf dich gewartet.« Seine Stimme klang rau.
Franziskas Hände fingen wie von selbst an, die Melodie des Stücks eine Oktave höher mitzuspielen. Der jahrelange Unterricht bei Tante Maria machte sich bezahlt. Harry strahlte: »Du spielst Klavier?«
Dieses Strahlen umfing sie, und ihr Herz begann ihr bis zum Hals hinauf zu klopfen. Verwirrt nickte sie, sie senkte den Blick, und dann spielten sie schweigend das Stück zu Ende.
»Ich möchte dir noch etwas vorspielen, Franziska. Würde es dir etwas ausmachen, dich neben den Flügel zu stellen? Sodass ich dich dabei ansehen kann?«
Sie beeilte sich, seinen Wunsch zu erfüllen. Gespannt, was nun kommen würde.
Harry schenkte ihr einen langen Blick. Seine Augenbrauen zogen sich in die Höhe, so als würde ihn erstaunen, was er da sah. Ein kleines Lächeln zeigte sich in seinen Mundwinkeln.
Wie gern hätte sie dieses Lächeln geküsst. Und doch: Er hatte die Regie dieses Abends übernommen. Und sie genoss es, sich überraschen zu lassen. Was er wohl für sie spielen würde? Wieder Mozart?
Aber Mat kehrte zu der schmeichelnden Musik zurück, die er gespielt hatte, als sie in den Raum getreten war. Und dann begann er zu singen:
Schenk mir die Stille ,
bring mir Gelassenheit zurück.
Hilf mir, deine Gedanken zu versteh’n!
Sag mir, was du brauchst und willst ,
sag, dass du nicht nur mit mir spielst.
Versuch mit mir ,
gemeinsam nur mit mir ,
über den Horizont hinauszuseh’n.
Komm, lass uns lieben ,
Herz an Herz und Hand in Hand.
Ich habe nie nach dir gesucht –
wie schön, dass ich dich fand.
geschrieben von Seeberstein, in Peking im Juli
damit Franziskas Herz endgültig erobert, ebenfalls im Juli
erschienen auf der CD »Frau« unter dem Titel
»Komm, lass uns lieben!«
Gold für die Single-Auskopplung im September
Hätte es noch etwas gebraucht, um ihre Verliebtheit zu verstärken, dieses Lied hätte es ausgelöst. Doch so stand sie nur still da, war glücklich und vergaß Raum und Zeit und die polierenden Kellner in ihrem Rücken. So schön dieses Lied war, so sehr wünschte sie sich, es ginge zu Ende. Denn sie wusste, was dann geschehen würde.
Als der letzte Ton verklungen war, stand Mat auf und ging ihr langsam entgegen. Er legte seine Arme, ohne ein Wort zu sprechen, auf ihre Schultern und zog sie ebenso langsam an sich. Ihre Nasen berührten sich zärtlich, er gab ihr einen kleinen Kuss, fast nur ein Hauch. Doch dann war beiden nicht mehr nach zärtlichem Geplänkel. Sie zogen einander aufstöhnend ansich und fanden sich zu einem leidenschaftlichen, langen, intensiven Kuss.
›Oh, oh, Bertrand, du hast ja keine Ahnung, wie sich ein richtiger Kuss anfühlt‹, schoss es Franziska durch den Kopf. Doch das war nun für lange Zeit der letzte Gedanke, den sie an ihren ehemaligen Lebensgefährten verschwendete.
Als sie sich wieder losließen, sagte Harry noch immer kein Wort, sondern blickte ihr nur liebevoll und sehr nachdenklich in die Augen.
Franziska hielt es nicht aus. Sie musste diese Stille durchbrechen. »Was war das für ein Lied? Das war wunderschön! Von wem ist das? Das habe ich noch nie zuvor gehört. – Du hast es wunderschön gesungen«, fuhr sie fort, als er nicht antwortete, »weißt du, dass du eine tolle Stimme
Weitere Kostenlose Bücher